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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Gläser!), und Jack jagt Rotwild. Kurzum: Der Hof ist für den Winter gerüstet, der lang und sehr kalt sein soll. Ich glaube aber nicht, dass mir die Kälte viel ausmachen wird, sie ist mir lieber als die drückende Hitze. Im Moment aber genieße ich den Herbst – im Amerikanischen nennen sie ihn »fall« wegen des fallenden Laubs. Bis jetzt war es tagsüber noch recht mild, auch wenn die Nächte schon sehr kühl sind und wir vor zwei Wochen den ersten Frost hatten. Die Laubbäume leuchten in herrlichen Farben, viel kräftiger, als ich es aus England gewohnt bin. Wenn ich die roten und orangefarbenen Ahornbäume – beide gibt es hier in Hülle und Fülle –, die goldenen Birken und dunkelroten Eichen sehe, geht mir das Herz auf.
    Mit Judith und Dorcas verstehe ich mich allmählich etwas besser, denn sie sehen endlich, dass ich eine Hilfe für sie bin. Ich habe gelernt, mich Judiths Willen zu fügen, und mache alles so, wie sie es sagt, denn wenn ich meinen eigenen Vorstellungen folge, mache ich es in ihren Augen ohnehin immer falsch. Manchmal ist das zermürbend, aber es ist leichter, als ständig meine eigenen Methoden rechtfertigen zu müssen. Außerdem kontrolliert sie mich nicht ganz so oft, wenn ich mich unterordne. Meinem Verhältnis zu Jack hilft es auch, weil er dann nicht ständig zwischen seiner Mutter und mir hin- und hergerissen ist. Ach, es ist nicht leicht, sich in einer fremden Familie zurechtzufinden.
    Mit meinen Kochkünsten habe ich leider keinen Erfolg. Mein Essen schmeckt ihnen nicht, sie meinen, es sei zu leicht und zu schlecht gewürzt. Tatsächlich reagieren die Zutaten hier nicht so, wie ich es will. Wenn ich Posset mache, heiße Milch mit Gewürzen, brennt die Milch meistens an. Das Mehl ist hier so grob, dass mein Gebäck zerbröselt. Das Rindfleisch ist zäh, und ich weiß nicht, wie ich ihm die Zartheit und den feinen Geschmack von englischem Lamm geben soll. Lammfleisch gibt es hier nicht, denn Kühe und Schweine gedeihen in dieser Gegend besser als Schafe. Speck und Schinken sind aber so salzig, dass ich sie kaum essen kann. Außerdem wird der Schmortopf jedes Mal zu heiß, sodass alles in ihm anbrennt. Ich kann kochen, was ich will, alles schmeckt nach Mais, selbst wenn gar keiner drin ist. Deshalb arbeite ich jetzt einfach strikt nach Judiths Anweisungen und schnipple, schrubbe und scheuere nur.
    Einzig meine Näh- und Quiltkünste werden hier ehrlich geschätzt. Judith hat das Nähen ganz in meine Hände gegeben, und ich habe es gerne übernommen. Ich bin schon bei mehreren Quiltkränzchen gebeten worden, das Motiv in der Mitte zu quilten, da es auf einem Bett am meisten auffällt.
    Im Moment arbeite ich an einem Quilt für Dorcas, um ihr die zu ersetzen, die sie mir für meine Hochzeit gegeben hat – ich schulde ihr insgesamt drei. Da Dorcas sich für einen Applikationsquilt entschieden hat, komme ich gut voran. Das Muster, das sie gewählt hat, nennen sie hier »Präsidentenkranz«: Dafür werden Blöcke mit Kränzen aus roten Blumen und grünen Blättern auf einer weißen Unterfläche aneinandergesetzt. Man fasst sie erst mit einer roten Borte ein und dann mit einer äußeren Borte aus Weinranken, auf die noch mehr rote Blumen appliziert werden. Die leuchtenden Komplementärfarben Rot und Grün heben sich stark vom weißen Stoff ab. Der Effekt ist beeindruckend, aber nicht so dezent, wie wir beide es gewohnt sind. Ich habe Dorcas den Quilt vorgezeichnet, und sie hat sich immer wieder umentschieden: Mal wollte sie grüne, dann wieder rote Ranken, mal große und mal kleine Kränze, mal Gänseblümchen und Tulpen im Wechsel und dann wieder nur eine Blume. Als ich die einzelnen Teile bereits ausgeschnitten hatte, hat sie nochmals ihre Meinung geändert! Ich dachte schon, ich müsste einen Großteil des Stoffs wegwerfen und mir Verschwendung vorwerfen lassen, doch ausnahmsweise kam Judith mir zu Hilfe und wies Dorcas an, die Entscheidung mir zu überlassen. Zumindest auf diesem Gebiet kann ich also meine Vorstellungen verwirklichen.
    Ich konnte Dorcas davon überzeugen, für die Applikationen gemusterte Stoffe zu verwenden statt die hier üblichen einfarbigen, deshalb hat das Rot jetzt winzige blaue Punkte und das Grün winzige gelbe Punkte. Auf diese Weise werden die Applikationen weniger flächig wirken. Es war ein

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