Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Manschette, dort einen Spitzenkragen aus gesponnenem Gold oder ein silbernes Haarnetz, fein wie Spinnweben, aufblitzen. Ein einziges leuchtendes Farbenmeer zwischen Licht und Schatten. Zwei livrierte Herolde mit Trompeten erschienen im hinteren Teil des Saales.
»Mylords, merkt auf«, rief der Zeremonienmeister, und der festliche Aufzug begann.
Ein schier endloser Zug von Dienern, die große kristallene Schalen auf roten Samtkissen mit goldenen Troddeln hereintrugen, bewegte sich durch den Saal, während an den Tafeln der Ruf »Zum Wohl, zum Wohl!« immer lauter erschallte und die Gäste mit den Fäusten auf die Tischplatten trommelten. Die Kandelaber, die an den Deckenbalken hingen, erzitterten, und das Licht tanzte. Als die Mundschenke und die Truchsesse den Dreikönigstrunk zu servieren begannen, stimmte ein Chor ein Lied an, sodass die Rufe verstummten. Als jeder Becher gefüllt war, stand der König auf und hob seinen goldenen Becher.
»Zum Wohl«, rief er lachend und leerte seinen Kelch in einem Zug. Auch Anne erhob ihren Becher. Ein einziger Schluck von dem würzigen, süßen Wein, und sie spürte schon, wie er ihr zu Kopf stieg. Sie stellte den Becher wieder auf den Tisch. Sie musste noch den Tanz durchstehen. Dazu brauchte sie einen klaren Kopf.
»Der Zeremonienmeister Eurer Majestät verdient großes Lob«, sagte Anne. »Ich habe noch nie ein solch prächtiges Fest gesehen.«
»Das ist doch noch gar nichts«, entgegnete er ihr lachend. »Wartet nur, bis Ihr zu meiner Königin gekrönt werdet; dann werdet Ihr ein prächtiges Fest erleben. Kommt, wir zeigen ihnen, wie gut ihr Herrscher tanzen kann.«
Ihr Herz schlug schneller, als sie sich, seine Hand ergreifend, von ihm auf die Bühne führen ließ, die man für die sechs Tanzpaare aufgebaut hatte. Jedes Paar war sorgfältig ausgewählt worden und sorgfältig gekleidet und folgte einer einstudierten Choreographie. Nun erschien ein Paar nach dem anderen hinter der bemalten Leinwand, die den Hintergrund bildete, um sich in den Tanz einzureihen. Die Paare waren genauso wie der König und Anne gekleidet, in goldenes Tuch, geschlitzt und mit Tudor-Grün unterlegt, die kunstvollen Ärmel mit Tudorrosen geschmückt. Die Männer trugen samtene, mit Federn geschmückte Kappen, ihre Damen einen perlenbesetzten Kopfputz aus grünem Samt und Haarnetze aus feinem Gold. Die Tänzer verbargen ihr Gesicht hinter den gleichen goldenen, mit Federn verzierten Masken.
»Euer Majestät, für Eure athletische Statur seid Ihr ein überaus leichtfüßiger Tänzer«, schmeichelte sie ihm, als die Flötenspieler in die Melodie der Harfenspieler einstimmten und das letzte Paar auf der Bühne erschien. In der Mitte der Bühne hatte man einen großen Baum aufgestellt, um den herum sie nun tanzten, bis es Anne schwindelig wurde.
»Seht Ihr, die Gäste im Saal haben schon den Überblick verloren«, sagte der König. »Sie schließen jetzt bestimmt schon Wetten ab, wer von den Tänzern der König ist.«
Eine Reihe von bemalten Leinwänden in der Form von Torbögen bildeten den Hintergrund. Während die Paare um den Baum herumtanzten, schlängelten sie sich auch unter den Bogengängen aus Leinwand hindurch. Die Melodie der Flötenspieler wurde schneller. Die Tänzer bewegten sich zwischen den Bögen hin und her, um den Baum herum, immer schneller, unter den Bögen hindurch, um den Baum herum – und plötzlich packte der König Anne um die Taille und zog sie aus den Kulissen in einen steinernen Bogengang über der Treppe, die zu den Küchen hinunterführte.
Heinrich stieß das für ihn typische abgehackte Lachen aus, als er ein anderes Paar, das fast genauso aussah wie sie, auf die Bühne winkte, damit es sich dem Tanz anschloss.
»Kommt, wir gehen durch die Küche und betreten den Saal von der anderen Seite.«
Er kam ihr wie ein kleiner Junge vor, der sich ein Spiel ausgedacht hat. Vom Tanz noch ganz außer Atem, musste sie rennen, um mit ihm Schritt zu halten, als sie Truchsessen und Köchinnen auswichen, die Tabletts trugen und in Töpfen rührten und nur kurz innehielten, um lächelnd einen Knicks zu machen, begleitet von einem Nicken oder einem »Hoppla, Euer Majestät«, so als käme ihr Herrscher jeden Tag hier vorbei.
»Wer war der Tänzer, der Euch in Größe, Statur und Haltung so glich, Euer Majestät?«, stieß sie heftig atmend hervor.
»Der tanzt aber nicht so gut wie ich, liebreizende Anne«, warf er ihr, kein bisschen außer Atem, über die Schulter gewandt zu.
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