Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
ich meine, ich habe ihn wohl immer als zu … hingebungsvoll gehalten, um zu heiraten. Ich habe ihn mir immer als einsamen Mönch in seiner Zelle vorgestellt. Natürlich sehe ich keinen Grund, weshalb Geistliche nicht heiraten sollten. Auch der heilige Paulus sagte, es sei besser zu heiraten als zu brennen.«
»Brennen?« Catherine legte immer ihre Stirn in Falten, wenn sie eine englische Redewendung nicht kannte.
»Vor Begierde«, antwortete Kate. »Versuchung zu spüren von … Ihr wisst schon …«
Catherine nickte und lächelte.
»Ich verstehe. Brennen. So wie Feuer brennt. Die alles verzehrende Liebe. Englisch ist eine so poetische Sprache«, sagte sie. Dann fügte sie hinzu: »Heiraten die Priester in England … oder brennen sie nur …?«
»Einige heiraten.« Kate dachte an Kardinal Wolsey, der, wie die Gerüchte besagten, eine Frau hatte, und an Bischof Cranmer, von dem es hieß, er trage seine Frau in einer Kiste mit sich herum. »Aber sie halten es geheim.« Kate zupfte an einem Knoten in ihrem Faden. Ein kleines Loch bildete sich an der Spitze des Horns des Einhorns. »Wie ist sie denn, die Frau von Martin Luther?«, fragte sie, während sie an den Fasern zog, als könnte sie damit das Loch zum Verschwinden bringen.
Catherine zuckte mit den Schultern.
»Ich bin ihr nur kurz begegnet. Sie ist nur halb so alt wie er, hat ein kleines, ovales Gesicht und trägt schlichte Kleidung. Mit ihren weit auseinanderstehenden Augen sieht sie eher klug als hübsch aus. Ihr Mund ist ein wenig …« Sie schürzte ihre Lippen, um zu demonstrieren, was sie meinte. »Sie heißt Katharina von Bora und stammt aus einer sehr einflussreichen Familie, aber ihre Familie hat sie verstoßen, als sie ihr Gelübde brach.«
»Ihr Gelübde brach? Sie war Nonne?«
»Ja, sie hat das Kloster verlassen, zusammen mit acht anderen … Nonnen. Nachdem sie sich Luthers Ideen zugewandt hatte.«
Eine abtrünnige Nonne und ein abgefallener Priester, die in aller Öffentlichkeit als Mann und Frau zusammenlebten. Kate fragte sich unwillkürlich, warum die beiden nicht im Gefängnis landeten.
»Sie muss sich der lutherischen Sache wirklich voll und ganz verschrieben haben, um einen Mann zu heiraten, der doppelt so alt ist wie sie, und das nur wegen seiner Schriften.«
»Kann es nicht sein, dass sie, wie ihr Engländer sagt, für ihren Martin ›brennt‹?«
»Vielleicht«, sagte Kate. Sie errötete, als sie daran dachte, wie ihr Herz bei Johns Berührung klopfte und ihr Körper bebte. Erst jetzt bemerkte sie Catherines amüsiertes Lächeln.
»Es freut mich, das Ihr hier mit Eurem Mann glücklich seid«, sagte Catherine, dann fügte sie nach einer kleinen Pause hinzu: »Und es freut mich, dass Ihr in meinem Haus lebt. Ich glaube, dass wir Freundinnen werden könnten. Ich treffe mich jeden Freitag mit ein paar anderen Frauen. Wir studieren gemeinsam die Bibel. Vielleicht möchtet Ihr Euch dazugesellen. Zwei von uns sprechen etwas Englisch. Sie würden sicher gern die Gelegenheit nutzen, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.«
»Finden diese Treffen im Englischen Haus statt?«
»Nein. Wir treffen uns hier. Die flämischen Frauen haben keinen Zutritt zum Haus der englischen Kaufleute. Abgesehen davon bringen sie manchmal auch ihre Kinder mit.«
»Ist es hier sicher?«
Catherine zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Durchaus. Man lässt uns in Ruhe. Die Behörden halten uns anscheinend für harmlos. Für sie sind wir nur ein paar tratschende Hausfrauen.«
»Dann komme ich gern«, sagte Kate. Sie stand auf und ging zum Fenster, um nach John Ausschau zu halten, der jeden Augenblick um die Ecke kommen musste. »Ich wollte Euch übrigens noch sagen, dass ich mir das Altarbild in der Kathedrale angesehen habe. Euer Bruder war wirklich ein sehr begnadeter Künstler. Die Gestalt des toten Christus sieht so …«
»Tot aus?« Catherine schürzte die Lippen, diesmal jedoch unbewusst. »Quentin war tatsächlich sehr begabt. Manchmal aber wirken seine Bilder ein wenig zu … echt.«
»Und diese Skizze von der alten Frau im Atelier …«
»Falls sie Euch … beunruhigt, werde ich sie entfernen. Sie wurde vergessen. Seine Söhne haben alle seine Gemälde abgeholt. Vielleicht haben sie die Skizze auch für wertlos gehalten.«
»Nein«, sagte Kate. »Lasst sie bitte, wo sie ist. Ich kann inzwischen gut mit ihr leben. Wie mit einem melancholischen, aber freundlichen Geist. Gab es diese Frau auf dem Porträt eigentlich wirklich?«
»Soweit
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