Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
wenn ich den Kindern Geschichten erzähle und ihnen ein paar englische Wörter beibringe, während sich ihre Mütter über andere Dinge unterhalten.«
»Was für Dinge ?«
»Frauendinge.« Sie säuberte das Messer mit einem Tuch und wandte den Blick ab. »Ganz gewiss keine so gelehrten Diskussionen, wie du sie mit dem Kaplan führst.« Um die Lüge abzumildern, fügte sie hinzu: »Manchmal singen wir auch ein wenig – eines von Luthers Kirchenliedern oder …«
»Luthers Kirchenlieder! Kate …«
»Bitte, John, sei nicht böse. Glaubst du denn, ich würde mir wegen dir keine Sorgen machen? Diese Treffen sind sehr wichtig für mich. Auf diese Weise kann auch ich meinen Beitrag leisten, während du mit deiner großen Sache beschäftigt bist.«
Er runzelte die Stirn, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie leicht auf die Stirn. Dann sah er sie ernst an und sagte:
»Das ist ein gutes Argument. Wer bin ich schon, dir das zu verweigern? Aber sei bitte vorsichtig, Kate. Du musst stets darauf achten, was du sagst. Die Kirche hat ihre Spione überall.« Er nahm ihr das Papier aus der Hand. »Das hier darfst du auf keinen Fall verwenden. Es würde sie direkt zu uns führen.«
Spione! Ein leiser Schauder lief ihr über den Rücken. Natürlich, auf dem Papier hatte er seine Übersetzung verbotener Texte niedergeschrieben.
»Ich hätte daran denken sollen. Ich verspreche dir, nach heimtückischen Spionen Ausschau zu halten und keine verdächtigen Texte zu verteilen«, sagte sie leichthin, um ihr Unbehagen zu überspielen. »Und jetzt hinaus mit dir. Vielleicht haben sie im Kontor heute Arbeit für dich.«
Gegen Mittag begann es wieder heftig zu regnen, und es regnete die nächsten Wochen weiter. Von den Bibelfrauen kam niemand, was Kate fast schon mit Erleichterung aufnahm.
Der Handel auf dem vom Regen durchweichten Grote Markt kam fast zum Stillstand. Da auch der Verkehr auf der Schelde abnahm, hatten die Kaufleute nur wenig Arbeit für John. Sie verfügten jedoch noch über genügend Ersparnisse, um über die Runden zu kommen, und sie hatten es warm und trocken. An einigen Tagen stand das Wasser so hoch, dass der Milchmann mit seinem Karren nicht mehr durchkam. Nur Merta wagte sich zwischen den einzelnen Wolkenbrüchen hinaus, um sie weiterhin mit frischem Brot und Weißkäse zu versorgen. Zwar hatten jetzt nur wenige Marktstände geöffnet, an einem Tag aber gelang es John, bei einem Straßenhändler, der sich unter der Dachtraufe der Kathedrale zusammenkauerte, ein paar verschrumpelte Rüben zu erstehen, an einem anderen Tag ergatterte er ein paar getrocknete Äpfel. Das Englische Haus war höher gelegen, also ließ Lady Poyntz sie wissen, dass sie, wann immer ihnen danach sei, der Nässe und der Kälte zu trotzen, dort eine warme Mahlzeit bekommen könnten.
Sie kamen mit dem aus, was sie hatten. Schließlich waren sie nur zu zweit, was jedoch Kate immer mehr beunruhigte. Ihre Regel war so verlässlich wie die Uhr im Zunftsaal der Kaufleute, auch wenn es ihr weiß Gott nicht an Gelegenheiten mangelte, schwanger zu werden. Jedes Mal, wenn sie und John miteinander schliefen, dachte sie: Diesmal, diesmal klappt es , und sie erinnerte sich an Pipkin und an den Säugling im Laden, der sie aus seinen weisen, blauen Augen angesehen und diese unstillbare Sehnsucht in ihr geweckt hatte.
Als der Februar sich seinem Ende zuneigte, ließ der Regen endlich nach. Die Bibelfrauen trafen sich jetzt wieder, dankbar dafür, dass sie auch in Catherines Abwesenheit zusammenkommen konnten. Im Kontor liefen die Geschäfte jedoch noch nicht wieder so wie vor dem großen Regen, John zeigte erste Anzeichen von Unruhe.
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von Kaplan Rogers oder deinem Freund Tyndale?«, fragte Kate ihn eines Tages, als er teilnahmslos aus dem Fenster auf die Straße hinunterstarrte.
»Komisch, dass du mich das fragst, mein reizendes Eheweib. Du kannst anscheinend Gedanken lesen. Gerade habe ich an ihn gedacht. Das Letzte, was wir von ihm gehört haben, war, dass er sich in Worms aufhält. Einige vermuten auch, dass er schon bald nach Antwerpen kommen wird, um seine zweite Ausgabe der Evangelien drucken zu lassen und mit der Übersetzung des Alten Testaments zu beginnen.« Er starrte weiter aus dem Fenster, so als erwarte er, dass Master Tyndale jeden Augenblick aus den Wolken auftauchen würde. »Der Regen hat ein wenig nachgelassen«, sagte er. »Ich denke, ich werde zum Englischen Haus hinübergehen und sehen,
Weitere Kostenlose Bücher