Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
würde John sagen, fragte sie sich manchmal, wenn seine Frau wegen einer illegalen Andacht verhaftet würde? Wäre er stolz oder böse auf sie? Nun, Sorgen würde er sich auf jeden Fall um sie machen. Und das zumindest konnte sie ihm ersparen. Manchmal wünschte sie sich sogar, dass sie weniger von den gefährlichen Untiefen wüsste, auf die er und William Tyndale zusteuerten.
Kurz vor ihrem vierten Treffen setzten die sintflutartigen Regenfälle ein und hielten unvermindert an, bis die Abflussrinnen das Wasser nicht mehr aufnehmen konnten und die tiefer gelegenen Straßen überflutet wurden. Die Frauen konnten sich jetzt nicht mehr in Catherines Geschäft treffen. Nur die höher gelegenen Straßen und jene, die am weitesten vom Fluss entfernt lagen, blieben trocken. Es regnete unablässig. Immer weniger verzweifelte oder abgehärtete Seelen wagten sich auf die unter Wasser stehenden Straßen. Die meisten der im Erdgeschoss liegenden Läden mussten vorübergehend geschlossen bleiben.
Da Catherine Massys ebenfalls gezwungen war, ihr Geschäft zu schließen, ging sie zu ihren Eltern nach Leuven. Quentins Sohn schickte einen Diener, der die sechs Schilling Miete einkassieren sollte. Er sprach kein Englisch. Während Kate zusah, wie er bei jedem seiner Besuche vergeblich versuchte, das Wasser aus dem Laden zu kehren, war sie froh darüber, dass sich ihr kleines Nest im ersten Stock befand. Sie sah aus dem großen Fenster in die leeren, überschwemmten Straßen hinunter und dachte, dass sie jetzt wusste, wie sich Noahs Frau gefühlt haben musste. Sie überlegte, ob es auf der anderen Seite des Kanals, in England, ebenso heftig regnete. John fragte im Englischen Haus nach und erhielt die Antwort, dass es auch in England regnete, »als würde die Welt untergehen«. Die Themse könne die Wassermassen von Englands Nebenflüssen schon seit längerem nicht mehr aufnehmen. Auch die Krypta von St. Paul’s stünde schon unter Wasser. Dies wiederum bedeutete, dass auch die Druckerei überflutet war. Kate fragte sich, wie sie das Geschäft vorfinden würde, wenn sie dorthin zurückkehrte – falls das jemals der Fall sein sollte.
Erst nach vier Wochen ließ der Regen nach. Jetzt nieselte es nur noch, und die Straße unter Kates Fenster war so weit wieder trocken, dass sie einigermaßen befahrbar war. Kate hängte ein Schild an die Tür des Ladens, das die Frauen nach oben zu ihr in die Wohnung einlud. Falls sie kamen, waren sie willkommen. Sie selbst würde vorbereitet sein. Während John seinen Mantel anzog, sah sie seine Papiere nach Blättern durch, die er nicht mehr brauchte. Er hielt inne:
»Wonach suchst du?«
»Ich brauche nur ein paar Blätter Papier und ein paar Stückchen Kohle, damit die Kinder Noah und die Arche zeichnen können.«
Er runzelte die Stirn.
»Ich dachte, die Treffen finden nicht statt, jetzt, da Catherine bei ihren Eltern in Leuven ist.«
»Warum sollten sie denn nicht stattfinden? Einige der Frauen wissen nicht einmal, dass Catherine in Leuven ist, und kommen vielleicht jetzt, da der Regen nachgelassen hat, wieder zu den Treffen.« Sie hielt ein Blatt Papier hoch, offensichtlich ein Text, den er, wie sie an den vielen hingekritzelten Verbesserungen erkannte, überarbeitet hatte, um ihn anschließend ins Reine zu schreiben. »Können wir die Rückseite davon verwenden?«
Er warf einen kurzen Blick auf den Entwurf, dann nickte er und kramte in dem Stapel herum und fand zwei weitere Blätter, die er ihr gab. Sie bedankte sich mit einem Kuss bei ihm und begann von dem Kanten Brot, der vom gestrigen Abendessen übriggeblieben war, acht dünne Scheiben abzuschneiden. Jedes Kind, falls sie kamen, sollte eine Scheibe bekommen. Und es war noch etwas von dem Eingemachten da. John warf einen missbilligenden Blick auf die dünne Schicht Marmelade, die sie auf die Brotscheiben verteilte. Sie wusste jedoch, dass ihm etwas anderes missfiel.
»Kate, sich mit Catherine und diesen Frauen zu treffen, ist eine Sache. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, diese Treffen hier bei uns abzuhalten. Ich glaube nicht …«
»Du machst dir zu viele Sorgen.«
»Wenn diese Treffen Argwohn erregen, werden sie den Verantwortlichen zur Rede stellen. Da Catherine nicht da ist und das Ganze bei uns stattfinden soll, werden sie dich zur Verantwortung ziehen.«
Sie seufzte mit gespielter Empörung.
»Wir sind doch nur eine Gruppe von Hausfrauen, die sich zum Plausch treffen, John. Was ist denn schon dabei,
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