Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Ritual mehr.
»Warum stellst du mir solch eine Frage, Margaret? Ob das alles mein Blut sei? Gibst du dich mit irgendwelchen üblen Gerüchten ab?«
»Nein, aber ich mache mir Sorgen um dich. Je blutiger deine Hemden werden, desto … desto freudloser kommst du mir vor.«
Er lächelte matt. Ein Lächeln, das seinen Zweck verfehlte, falls es sie beruhigen sollte.
»Für Freude wird später noch Zeit sein. Wenn die harte Arbeit der Kirche getan ist.«
»Die Kirche! Du bist Kanzler, Vater, und nicht Erzbischof.«
»Rede nicht so unverschämt mit deinem Vater, Margaret. Das ist eine Sünde. Meine Pflichten als Kanzler sind denen eines Erzbischofs nicht unähnlich. Der Staat kann ohne die Kirche nicht existieren. Was gut für die Kirche ist, ist daher auch gut für die Krone.« Hier verlor sich seine Stimme, so als würde er plötzlich von einem unangenehmen Gedanken abgelenkt werden.
»Es tut mir leid. Ich wollte nicht unhöflich sein. Es ist nur so, dass es Gerüchte gibt … dass du in Angelegenheiten des Glaubens … vielleicht etwas zu eifrig bist. Sogar eifriger, als es das Gesetz erlaubt.«
Sein Ton wurde mit einem Schlag hart und unerbittlich.
»Willst du dir anmaßen, mich in rechtlichen Dingen zu belehren, Tochter? Anscheinend habe ich dir mehr Jura als Manieren beigebracht.«
Sie spürte, wie ihre Haut unter seinem vernichtenden Blick zu glühen begann. Plötzlich waren sie nicht mehr Vater und Tochter, sondern Gegner. Sein Blick war kalt, sein Ton beherrscht. Die Wärme und Fröhlichkeit, die sie sonst bei ihm spürte, wenn sie miteinander sprachen, war völlig verschwunden. Ihr kam einen kurzen Augenblick lang der Gedanke, wie entsetzlich es sein musste, einem solchen Ankläger gegenüberzustehen.
»Selbstverständlich würde ich das nie … es ist nur so, dass … William sagt …«
»Aha, William sagt.« Der Blick, mit dem er sie jetzt ansah, war so grimmig, dass ihr der Atem stockte. »Und was sagt mein Schwiegersohn Roper sonst noch über mich? Der Mann, dem ich aus Liebe zu meiner Tochter gestattet habe, mit seinen irrigen theologischen Ansichten meinen Haushalt zu vergiften. Sag mir, Tochter, was sagt William sonst noch? Was tut er, um mir meine Nachsicht zu vergelten?«
Meg drückte die blutigen Hemden an ihre Brust, ohne zu merken, dass eines davon einen großen Fleck auf der hellblauen Seide ihres Oberteils hinterlassen hatte. Sie spürte nur noch Scham und Reue, weil sie ihrem Vater Schmerz bereitete.
»Nichts, Vater. William spricht stets nur in den höchsten Tönen von dir. Er ist sehr stolz auf dich, so wie wir.«
Er hielt inne und sah aus dem Fenster seines Studierzimmers, wo der erste Schnee auf die zerfurchte gefrorene Erde fiel.
»Es ist Winter geworden«, sagte er, als wäre er darüber überrascht.
»Ja, Vater. Das stimmt«, sagte sie erleichtert darüber, dass er das Thema wechselte. Nichts hatte sich verändert; sie hatte ihn nicht überzeugt, aber sie hatte ihr Versprechen gegenüber ihrem Mann gehalten.
»Du brauchst einen neuen Mantel«, sagte er. »Die Töchter der Kanzlers sollten ihrem Rang entsprechend gekleidet sein.«
»Das ist sehr großzügig von dir«, sagte sie. Diese Gerüchte können nicht stimmen, dachte sie. Er war ein liebender Vater und ein gerechter Mann. Wurde seine Toleranz nicht dadurch bewiesen, dass er Williams reformerische Ansichten in seinem Haus duldete?
»Erlaubst du mir, eine lindernde Salbe auf deinen Rücken aufzutragen?«
Darüber musste er lachen.
»Nun, das würde dem Akt der Buße doch ein wenig zuwiderlaufen, nicht wahr?« Es tat gut, ihn lachen zu hören. Sie überlegte gerade, wann sie ihn das letzte Mal so hatte lachen hören, als sie vom Pförtner gestört wurden, der plötzlich vor der Tür stand.
»Euer Gast ist eingetroffen, Sir Thomas«, sagte er.
»Ich komme sofort«, erwiderte Thomas und sprang von seinem Stuhl auf. Margaret sah mit großem Erstaunen zu, wie er dem Pförtner mit der Energie eines jungen Mannes hinterhereilte.
Es stellte sich heraus, dass Rechtsanwalt James Bainham nicht so leicht zu überzeugen war. Kate sah in die bestürzten Gesichter der Übersetzer, als die Spitzel der Kaufleute ihnen berichteten, dass man ihn an Mores Baum gebunden und der Folter unterworfen hatte, bis er verkrüppelt war. Dennoch hatte er nicht widerrufen. Erst die Nachricht, dass man seine frisch angetraute Ehefrau ins Fleet-Gefängnis gebracht hatte, weil sie sich bei einer Haussuchung standhaft geweigert hatte, die
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