Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
hatte Euch nicht so bald zurückerwartet.«
»Meine Aufgabe hier ist erledigt«, sagte Sir Thomas barsch. »Fahr mich nach Hause.«
Falls der Bootsführer aus seiner Stimme eine Art von Endgültigkeit herausgehört hatte, so äußerte er sich nicht dazu.
Während Sir Thomas sich von dem schweigenden Bootsführer die sonnenbeschienene Themse hinauf nach Chelsea rudern ließ, nahm er weder den Duft der Apfelblüten wahr, noch spürte er die warme Brise auf seiner Haut. In seinem Herzen war es noch immer Winter. Er plante bereits den nächsten Schritt in seiner großen Sache. Er war froh, dass sein Vater das nicht mehr miterleben musste.
»Schade, dass es so weit gekommen ist, Thomas«, sagte der König zwei Tage später, nachdem der Klerus in einer Synode seine Einwilligung gegeben hatte. (Ihr feiger Charakter hat ihnen keine Wahl gelassen, dachte Thomas. Alles Feiglinge – bis auf Bischof Fisher, der sich als Einziger zusammen mit Thomas gegen die Flut gestellt hatte. Selbst Stokesley hatte sich vornehm zurückgehalten.)
Thomas hatte den König im Garten von York Palace angetroffen, wo er unter einer Wolke aus rosa Blütenblättern mit den Hunden spielte. Schweigend übergab Thomas ihm den Beutel aus weißem Ziegenleder, in dem sich das Siegel des Kanzlers und die Amtskette befanden. Dem keuchenden Atem nach zu urteilen, war Seine Majestät von der Anstrengung überhitzt. Seine Stimme war jedoch eisig.
»Ich hatte geglaubt, solche Schwierigkeiten vermeiden zu können, wenn ich einen Laien zum Kanzler berufe«, sagte er und ließ sich auf eine Bank fallen. Er bedeutete Thomas, dass er neben ihm Platz nehmen solle.
»Es ist meine Gesundheit, Euer Majestät, die, wie Ihr wisst, seit dem Tode meines Vaters nicht die beste ist. Ich kann Eurer Majestät unter solchen Umständen nicht so dienen, wie es Eurer Majestät gebührt.«
Heinrich lachte. Thomas kannte dieses Lachen. Er hatte es gehört, als er sich geweigert hatte, die Petition des Königs an den Papst zu unterzeichnen. Es war ein ganz und gar freudloses Lachen.
»Diese Worte habt Ihr geschickt gewählt. Ihr seid wahrlich ein komplizierter Mann, Thomas«, sagte Heinrich, als er den Beutel entgegennahm und ihn zwischen sie auf die Bank warf, so als wäre er ein belangloser Gegenstand und enthielte nicht das Symbol des zweitmächtigsten Mannes des Landes. Einer der großen Mastiffs kam herbeigetrottet, und der König kraulte den Hund hinter den Ohren. Das Tier verharrte bewegungslos.
Thomas erwiderte darauf nichts. Wenn man kein überzeugendes Argument mehr zu seiner Verteidigung anführen konnte, war zu schweigen stets das Beste.
»Ich habe mich verschätzt, als ich Euch zum Kanzler gemacht habe, Master More. Ich war es außerordentlich leid, mich ständig mit irgendwelchen Klerikern auseinandersetzen zu müssen, die, wohin ich mich auch wandte, stets um mich herumschwirrten. Mit Eurer Ernennung glaubte ich, diese unablässige Einmischung der Kirche in die Angelegenheiten des Staates zu unterbinden.« Er seufzte, atmete dabei so heftig aus, dass die Hinterbeine des Hundes zu zittern begannen. »Aber jetzt sehe ich, dass in Euch mehr von einem Kleriker steckt als in jedem Erzbischof.«
Er hörte auf, den Hund zu kraulen. Das Tier saß gehorsam zu Füßen seines Herrn, so reglos, als wäre es in Stein gehauen. Seine Gefährtin, eine stattliche Hündin, deren Fell die Farbe von Ale hatte, lag ein paar Schritte entfernt auf dem Rasen und sah sie mit aufmerksamem Blick an. Sie hatte die Ohren gespitzt, als warte sie nur auf ein Zeichen des Königs.
Nicht einmal die Hunde wagen es, sich ihm zu widersetzen und eine Bestrafung herauszufordern, dachte Thomas. Sie sind vernünftiger als du.
»Es ist meine Gesundheit, Euer Majestät, und ausschließlich meine Gesundheit, die mich dazu veranlasst, Euch das Siegel zurückzugeben. Ich möchte mich einfach nur in Frieden zur Ruhe setzen«, sagte er mit ruhiger Stimme.
»Und ich möchte abdanken und nach Frankreich gehen, um dort Schuhputzer von Franz I. zu werden«, sagte Heinrich genauso ruhig, wobei jedes Wort vor Sarkasmus nur so triefte. Eine unmissverständliche Drohung. Dann erhob sich der König, bedeutete seinen Hunden mit einem Pfiff, ihm zu folgen, und ging in Richtung Palast davon. Thomas blieb allein auf der Gartenbank zurück, neben sich den Beutel aus weißem Ziegenleder mit den Symbolen der verlorenen Macht.
»Du wirst langsam tatsächlich so dick wie die Frau des Bäckers«, meinte John lachend, als
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