Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Tyndale-Bücher herauszugeben, bewirkte das, was durch die Folter nicht gelungen war. Er schwor ab.
Kate dachte an ihren Bruder und daran, dass er um seiner Frau und seines Kindes willen widerrufen hatte. Würde John das auch für mich tun? , fragte sie sich unwillkürlich. Würde ich das überhaupt wollen? Die Kaufleute und Übersetzer und einige der Flüchtlinge, die wenigen, denen sie vertrauen konnten, versammelten sich jetzt jede Woche zum Gebet für diejenigen, die in England unter der Verfolgung litten. Kate betete darum, dass sie niemals vor eine solche Wahl gestellt werden würde, und dankte Gott zugleich dafür, dass John hier bei ihr und nicht in England war.
31
[A]ller Kummer, der die Laien betrübt, sollte aufgeschrieben und dem König vorgelegt werden.
Das Parlament, Jan. 1532. Aufgrund der Beschwerden gegen den Klerus wurde ein Gesetz erlassen, das die Macht des Klerus beschnitt und zu Mores Rücktritt führte.
I m März war sich Kate sicher, dass sie wieder schwanger war. Als ihr das erste Mal morgens übel wurde, schob sie es auf das Wildbret, das sie am Abend zuvor gegessen hatte. John hatte ihr warmes Bett bereits in der Morgendämmerung verlassen, um ins Skriptorium hinunterzugehen. So nannten sie scherzhaft den Teil des Saales, wo große Unordnung herrschte und den Mistress Poyntz hinter einem Wandschirm zu verstecken versuchte. Kate schnürte gerade ihr Mieder, als ihr ohne Vorwarnung schlecht wurde. Noch bevor sie den Nachttopf unter dem Bett hervorholen konnte, erbrach sie das zweifelhafte Wildbret auf den mit Binsen bestreuten Boden. Sie legte sich aufs Bett, bis die Übelkeit vorbei war, reinigte den Boden und ging dann hinunter, um zu sehen, ob John sie brauchte.
In den nächsten Tagen vertrug ihr Magen nur altbackene Kekse und verdünnten Apfelwein. John hatte zuerst noch über ihre plötzliche Vorliebe für Hostien gewitzelt, dann hatte er begonnen, sich Sorgen zu machen. Kate zerstreute seine Sorge, indem sie ihm erklärte, das Eheleben mache sie dick. Also versuche sie weniger zu essen. Er hatte ihr daraufhin den Arm um die Taille gelegt und gesagt, dass er sie auch lieben würde, wenn sie so dick wie die Frau des Bäckers werden sollte.
Nachdem es getaut und die Erde die ersten Schneeglöckchen hervorgebracht hatte, wusste Kate, dass das Wildbret nicht für ihre Übelkeit verantwortlich war. Zuerst wagte sie es kaum zu hoffen, wieder schwanger zu sein. Sie behielt deshalb die gute Nachricht zunächst für sich. Auch den Frauen in ihrer Bibelgruppe sagte sie nichts. Wenn John sie, was mehr als nur einmal geschah, in einen Tagtraum versunken antraf und feststellte, dass sie weit weg zu sein schien, erklärte sie ihm: »Ich habe gerade gedacht, wie glücklich ich mich schätzen kann, einen so brillanten Ehemann zu haben«, oder: »Ich träume vom kommenden Frühling.« John schienen ihre Antworten zufriedenzustellen, und er kehrte jedes Mal, ohne Verdacht zu schöpfen, an seinen Schreibtisch zurück.
Seit Tagen arbeitete er an einer Streitschrift, wenn er nicht gerade für Tyndale Korrektur las oder übersetzte. In seiner Schrift argumentierte er, dass die Doktrin des Fegefeuers ein Konstrukt der Kirche sei, das erst in neuerer Zeit entwickelt worden sei und sich keineswegs mit der Heiligen Schrift begründen lasse. Außerdem vertrat er die Meinung, dass das Brot und der Wein der Eucharistie nur ein Symbol für den Leib Christi seien. Für Kate war das Argument gegen das Fegefeuer durchaus nachvollziehbar; es war das Fundament, auf dem der gesamte Ablasshandel beruhte, das Druckmittel, mit dem das gemeine Volk von einer korrupten Geistlichkeit ausgebeutet und versklavt wurde. Dass ihr Mann so vehement auf dem rein symbolischen Charakter der Eucharistie beharrte, verstand sie jedoch nicht. Selbst die Bibelmänner oder die »neuen Männer«, wie manche sie nannten, waren sich bei der Doktrin der Transsubstantiation nicht einig. Was spielte es schon für eine Rolle, ob der Gläubige der Meinung war, dass der Wein wirklich zu Blut wurde, solange er davon überzeugt war, dass er damit in einem Akt des Gehorsams den Geist Christi in seinen Körper aufnahm? John aber hatte es sich zur Aufgabe gemacht, eine möglichst umfassende Beweisführung gegen die Lehre von der wahren Gegenwart des Leibes und des Blutes Christi in Brot und Wein der Eucharistie zu entwickeln. Er hatte bereits so viel dazu geschrieben, dass er zwei Bände damit hätte füllen können, und er schrieb immer
Weitere Kostenlose Bücher