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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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wechselten einen kurzen Blick.
    »Das wird wohl nicht nötig sein«, sagte der eine. Er hatte einen starken walisischen Akzent.
    »Er sieht nicht so aus, als würde er uns Schwierigkeiten machen«, fügte der andere hinzu, der keine Livree trug, sondern wie ein Gentleman gekleidet war.
    Der Constable zuckte gleichgültig mit den Schultern und gab dem Wächter den Befehl, das Tor zu öffnen, durch das man zu der Treppe gelangte, die zur Themse hinunterführte. Dort wartete schon ein Bootsführer, der sie ans andere Ufer brachte. Als sie aus dem Boot stiegen, sah sich John nach dem Gefängniskarren um.
    »Wir gehen von hier aus zu Fuß weiter«, sagte der Waliser. »Macht Euch keine Sorgen. Wir haben genug Zeit. Wir werden, wann immer Ihr wollt, Rast machen.«
    »Ich bin froh, dass ich Gelegenheit bekomme, mir die Beine zu vertreten. Ich habe Bewegung dringend nötig.«
    Er ging schweigend zwischen seinen Begleitern. Da er offensichtlich von ihnen dreien der Jüngste war, fiel es ihm – obwohl er in seiner Zelle stets nur wenige Schritte auf und ab hatte gehen können – nicht schwer, mit ihnen Schritt zu halten. Seine Bewacher ignorierten ihn, während sie sich über Grundstücksangelegenheiten in Croydon unterhielten. Sie behandelten ihn jedoch mit ausgesuchter Höflichkeit. Der Waliser, der, wie John erfuhr, Pförtner bei Erzbischof Cranmer war, hatte in seinem Bündel Brot und Käse, von dem er auch John etwas anbot. Da John schon eine ganze Weile kein frisches Brot mehr gegessen hatte, nahm er das Angebot dankbar an. Sie waren ein paar Meilen gegangen – ungefähr fünf, schätzte John, da die Schatten bereits länger geworden waren –, als sie sich einer einsamen Kreuzung näherten. Die Straße zu ihrer Linken war kaum mehr als ein Waldweg. Der Pförtner deutete mit dem Kopf stumm in diese Richtung. Durch die Schatten des Spätnachmittags wirkte der Wald dunkel und unheilvoll. Das muss der Wald von Brixton sein, den Cromwell erwähnt hat, dachte John. Erwarteten sie von ihm etwa, dass er hier und jetzt das Weite suchte?
    Der Gentleman richtete jetzt zum ersten Mal das Wort an ihn. »Hier trennen sich unsere Wege, Master Frith. Ich wünsche Euch eine gute Reise. Wenn es Euch gelingt, den Wölfen aus dem Weg zu gehen, dann könntet Ihr es schaffen.«
    »Die gefährlichsten Wölfe sind die in London«, sagte John. »Der eine ist Bischof, und der andere sitzt in seinem Bau in Chelsea. Mit ihnen verglichen erscheint mir dieser Wald überaus gastlich.«
    Der Pförtner, der ein durchaus vergnügter Weggefährte gewesen war, sah ihn jetzt ernst an.
    »Schöne Worte. Wir werden Euch ein paar Stunden Vorsprung geben, bevor wir nach Croydon weitergehen. Wir werden berichten, dass Ihr Euch nach Westen gewandt habt und dass Ihr bis Einbruch der Nacht wahrscheinlich Wandsworth erreicht haben werdet.« Dann grinste er. »Wir haben versucht, Euch zu verfolgen, aber Ihr wart einfach zu schnell für uns.«
    John spürte, wie ihm Tränen in die Augen traten. Dies war wahre Nächstenliebe. Eine geradezu unglaubliche Großzügigkeit. Es war für sie nicht ohne Risiko.
    »Was wird das Inquisitionsgericht sagen, wenn Ihr mit leeren Händen zurückkommt?«
    »Der Erzbischof wird uns decken. Wir haben uns übrigens freiwillig für diese Aufgabe gemeldet.« Der Pförtner öffnete das Bündel und zog ein kleines, von Tyndale übersetztes Neues Testament hervor. »Übersendet Eurem Freund unseren tief empfundenen Dank, falls Ihr es bis zu ihm schafft.«
    John starrte das kleine Buch an. Eine unendliche Dankbarkeit überkam ihn.
    »Ich danke Euch, verehrte Herren«, sagte er. »Gott weiß, wie sehr ich Euch danke. Möge Gott Euch für Euren Mut und Eure Standhaftigkeit segnen.« Er hielt inne und atmete tief ein, genoss nach der dumpfen, abgestandenen Luft des Towers den moosigen, erdigen Geruch des Waldes. »Aber ich werde nicht fliehen.«
    »Was soll das heißen, Ihr werdet nicht fliehen?! Seid Ihr des Wahnsinns?«
    »Ich bin ein anständiger Mann. Warum soll ich nicht das verteidigen, woran ich fest glaube und über das ich geschrieben habe? Wenn es Gerechtigkeit gibt …«
    »Gerechtigkeit! Vor dem Gericht, vor dem Ihr Euch zu verantworten habt, gibt es keine Gerechtigkeit.« Seine Frustration ließ den Pförtner unwillkürlich die Stimme erheben. »Eure Chancen sind gleich null.«
    Ein leises Rascheln zog Johns Aufmerksamkeit auf sich. Beide Männer hatten sofort die Hand am Schwert. Es war aber nur ein Eichhörnchen, das einen

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