Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Frith niemals begegnet und könnte auf sein Schiff gehen und einfach davonsegeln. Nun, vielleicht ergab sich ja bald eine Gelegenheit, und er konnte all das hinter sich lassen.
Endor öffnete ihm die Tür. Kate, die am Fenster gestanden hatte, drehte sich zu ihm um und sah ihn, geradezu um eine gute Nachricht flehend, an.
»Ihr dürft ihn heute nicht sehen«, musste er sie jedoch enttäuschen.
Sie stand einfach nur da, aufrecht und bewegungslos. Ihr Haar war zerzaust, wirre Strähnen fielen ihr über den Rücken und hingen ihr ins Gesicht; dunkle Ringe lagen unter ihren Augen. »Und warum nicht?«
Wie lange mochte sie schon an diesem Fenster gestanden und auf ihn gewartet haben?
»Weil sie ihn verlegt haben. Ich denke, wir werden uns etwas anderes überlegen müssen.«
»Wo ist er jetzt? Werden sie ihn vor Gericht stellen?«
Die Atemlosigkeit in ihrer Stimme weckte in ihm den Wunsch, auf und davon zu laufen. Es hatte keinen Sinn, ihre Qualen noch zu verlängern. Er musste es ihr jetzt sagen.
»Bitte …«
»Sie haben ihm bereits den Prozess gemacht, Kate. Er … er hat ein Bekenntnis seines Glaubens unterschrieben.«
»Nein … bitte, lieber Gott … Woher wisst Ihr das?«
»Ich bin zum Tower gegangen, und dort hat man mir gesagt, dass man ihn zum Croydon Palace gebracht hat, also bin ich dorthin gegangen. Der Prozess war jedoch schon vorbei. Sie hatten ihn bereits fortgebracht.«
Sie lehnte sich an ihn, um nicht zu Boden zu sinken. Er legte den Arm um sie, spürte, wie ihre Schultern zitterten, als er sie zu der hölzernen Ruhebank unter dem Ladenfenster führte. Das Zittern hörte auf, und eine grimmige Starre trat an seine Stelle.
»Ich dachte, es hat einen Fluchtplan gegeben?« Ihre Stimme war kaum noch ein Flüstern. »Ihr habt doch gesagt …«
»Er hat sich geweigert zu fliehen, Kate.« Er konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen. »John hat sich entschieden, den Weg des Märtyrers zu beschreiten, dieser unverbesserliche, arme Narr. Man kann niemandem helfen, der sich nicht helfen lassen will.«
Bischof Gardiner hatte gesagt, dass Erzbischof Cranmer nach Friths Erklärung keine andere Wahl gehabt hatte, als den Gefangenen seinem Ordinarius zu überstellen. Und da man ihn in Southend verhaftet hatte, war Bischof Stokesley zuständig. Aber Tom wollte Kate unbedingt etwas Beruhigendes sagen, ihr wenigstens eine kleine Hoffnung lassen, an der sie sich festhalten konnte, auch wenn es im Grunde keine Hoffnung mehr gab.
»Noch ist nicht alles verloren. Er ist noch am Leben. Ich werde herausfinden, wo man ihn hingebracht hat. Sie werden ihm noch ein paar Wochen geben, denn sie würden lieber seine Unterschrift unter einem Widerruf sehen.« Er bezweifelte allerdings selbst, dass das stimmte. Diese Männer waren vom Verbrennen geradezu besessen. »Werdet Ihr hier allein zurechtkommen?«
Sie nickte stumm. Seit sie Antwerpen verlassen hatten, strahlte sie eine unnatürliche Ruhe aus, die für ihn noch schlimmer war, als wenn sie geweint hätte. Es kam ihm so vor, als wäre ihr Wille ein Damm, hinter dem sich beständig Druck aufbaute. Welcher Schaden hinter dieser Mauer angerichtet wurde, konnte er nur erahnen. Er hatte schon Menschen gesehen, die aus einem geringeren Grund verrückt geworden waren. Aber er wusste nicht, wie er ihr helfen konnte, außer dadurch, dass er ihr ihren Ehemann zurückbrachte.
»Es wird vielleicht ein oder zwei Tage dauern. Endor wird so lange bei Euch bleiben. Sie wird Euch bringen, was immer Ihr braucht. Aber Ihr dürft auf keinen Fall das Haus verlassen, Kate.«
Als sie nicht reagierte, wiederholte er noch einmal: »Bleibt hier. Das ist sehr wichtig. Ihr dürft auf keinen Fall Johns Feinden in die Hände fallen. Das würde weder ihm noch Euch helfen. Habt Ihr verstanden, was ich gesagt habe?«
Sie antwortete teilnahmslos:
»Ja, das habe ich.«
Sie hatte nicht versprochen, sich daran zu halten, aber er konnte sie schließlich nicht einsperren. Wahrscheinlich war sie auch gar nicht in Gefahr. Immerhin hatten More und Stokesley bekommen, was sie wollten.
Als John aufwachte, glaubte er sich zuerst wieder im Fischkeller. Das Newgate-Gefängnis war jedoch noch weit schlimmer als der Fischkeller. Im Fischkeller hatte er wenigstens Gesellschaft gehabt. Er hatte sich bewegen können, und ihm war die Hoffnung geblieben. Hier aber war er allein, und er war mit einem Halseisen an die Wand gekettet. Und es gab keine Hoffnung mehr für ihn. Wie konnte man ohne Hoffnung leben? Deine
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