Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Ich habe Euch verschreckt. Ich hätte Euch nicht so … so überfallen dürfen. Aber ich habe einfach so wenig Zeit … und als ich hörte, dass Ihr ledig seid …« Er hielt inne. Seine Augen weiteten sich, so als verstehe er plötzlich. »Aber natürlich, es gibt da jemand anderen. Wie sollte es auch anders sein?«
Die Enttäuschung in seiner Stimme verschlug ihr schier den Atem. Einen Moment lang wollte sie sich ihm in die Arme werfen und ihm sagen, dass sie ihn heiraten werde, dass sie mit ihm bis ans Ende der Welt gehen werde. Aber das wäre eine unverzeihliche Dummheit. Und sie war ganz bestimmt nicht dumm. Wenn sie nur mehr Zeit hätten. Wenn sie nur …
»Nein. Da ist niemand … es ist einfach nur … es ist einfach nicht möglich. Das ist alles.«
»Wenn es niemand anderen gibt, warum ist es dann nicht möglich?«
Sie schloss die Augen, damit sie sein Gesicht nicht sah, während sie verzweifelt nach den richtigen Worten suchte.
»Ich verspreche Euch … ich werde Euch ein guter Ehemann sein. Ich werde Euch nicht schlagen …« Sein Lachen verlor sich. »Also gut, das war nicht besonders witzig.« Dann, kaum noch ein Flüstern: »Vielleicht werdet Ihr mich sogar eines Tages lieben.«
Sie öffnete die Augen und begegnete seinem Blick, der sie durch seine Offenheit verblüffte. Wie könnte eine Frau, die ein Herz hat, Euch nicht lieben ?, dachte sie.
»Ich sehe, dass Ihr mir gegenüber eine gewisse Zuneigung empfindet, Master Frith, aber ich fürchte, diese Zuneigung wurde aus … aus den Umständen heraus geboren. Irgendwann werdet Ihr Eure hastige und unüberlegte Entscheidung sicher bereuen. Und das könnte ich nicht ertragen.«
Er zog sie an sich. Sie hörte, wie das Schachbrett neben ihnen zu Boden fiel. Das Geräusch drang wie aus weiter Entfernung an ihr Ohr. Als er sie jedoch küsste, hörte sie nur noch das Blut in ihren Ohren rauschen. Irgendwie gelang es ihr, die Kraft aufzubieten, um ihn von sich zu schieben. Als er sie losließ, holte sie tief Luft und wartete darauf, dass ihr Herz zu rasen aufhörte. John Frith bückte sich mit glühendem Gesicht nach dem Schachbrett und legte es auf den Tisch, dann hob er einige der auf dem Boden verstreuten Figuren auf und legte sie auf das Brett.
»Ich habe nicht einmal eine Mitgift«, sagte sie.
»Mitgift! Ihr glaubt, dass mir das wichtig wäre? Was habe ich Euch denn zu bieten?« Er ergriff ihre Hände, hielt sie mit sanfter Gewalt fest, sodass sie sie nicht wegziehen konnte. »Ich bitte Euch doch nur, darüber nachzudenken, Kate. Ihr sagt, ich hätte mich vorschnell entschieden. Dabei seid Ihr es, die im Begriff steht, eine vorschnelle Entscheidung zu treffen. Verschenkt nicht die Möglichkeit, dass wir tatsächlich miteinander glücklich werden könnten, denkt darüber nach. Bleibt wenigstens so lange hier, bis das Schiff kommt. Tut dem Mann diesen Gefallen, dem Ihr das Leben gerettet habt.«
»Ich habe Euch nicht das Leben gerettet.«
»Ihr habt in mir den Wunsch weiterzuleben geweckt. Das ist dasselbe.«
Sie konnte keinen vernünftigen Gedanken fassen, wenn er ihr so nahe war und sie so ansah. Sie zog ihre Hände weg, bückte sich nach zwei herumliegenden Schachfiguren und stellte den Läufer auf seinen Platz auf dem Brett, den Bauern nahm er ihr aus der Hand. »Wir sind mehr als nur Bauern, Kate. Wir sind frei. Wir können unsere Wahl treffen. Könige und Bischöfe dürfen das Schicksal freier Menschen nicht ewig bestimmen.«
»Wenn ich mich recht erinnere, flieht Ihr vor dem Zorn eines Bischofs, nicht wahr? Und Ihr werdet von den Soldaten des Königs verfolgt, ist es nicht so? Wie könnt Ihr da nur auf den Gedanken kommen, etwas anderes zu sein als ein Bauer in einem gefährlichen Spiel?«
»Es war allein meine Entscheidung, Kate. Ich habe beschlossen, nicht die Regeln des Bischofs einzuhalten. Ein Mann, dessen Geist frei ist, wird niemals ein Bauer im Spiel eines anderen sein, ganz egal, welche Konsequenzen seine Entscheidung auch immer haben mag. Mein Platz ist an der Seite von William Tyndale. Und Euer Platz wird an meiner Seite sein, wenn Ihr das wollt. Aber wie auch immer Ihr Euch entscheiden werdet, es wird allein Eure Wahl sein.«
Er stellte den gesichtslosen Bauern auf dem Brett dem üppig verzierten Läufer gegenüber. Kühne Worte, dachte sie. Mutige Worte. Jeder, der das Spiel kannte, wusste, wer bei dieser Aufstellung überlegen war – jeder außer John Frith. Entweder war er ein Narr, oder er war der mutigste, klügste
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