Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
angesehen und gesagt, dass mein Appetit in letzter Zeit doch sehr groß sei.« Sie lachte. Offensichtlich war es ihnen tatsächlich gelungen, ihr Geheimnis zu hüten. »Tildy bringt mir jeden Tag eine doppelte Portion, ohne dass ich sie darum bitten muss. Ich frage mich wirklich, was in Eurer Küche über mich gesprochen wird.«
»Darüber würde ich mir keine Sorgen machen, meine Liebe. Wir jedenfalls finden, dass Ihr wunderbar seid, nicht wahr, Master Frith?«
Master Frith hatte ihrem Gespräch offensichtlich nicht zugehört. Er hatte die Augen geschlossen und eine zusammengesunkene, unbeteiligte Haltung eingenommen. Als er seinen Namen hörte, öffnete er die Augen.
»Verzeihung, wie bitte?«
»Master Frith, fühlt Ihr Euch nicht wohl? Ist Euch kalt? Sollen wir reingehen?«, fragte Kate.
»Nein. Der Sonnenschein ist sehr angenehm. Es tut mir leid. Ich war mit den Gedanken nicht bei der Sache. Wie dumm von mir, da ich diese Gesellschaft, um die mich selbst die Götter beneiden würden, doch genießen sollte. Was sagtet Ihr gerade?«
»Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, John. Es ist nicht einfach, sein Zuhause hinter sich zu lassen und ins Exil zu gehen. Ich habe gerade gesagt, wie wundervoll wir alle Kate finden.«
Er lächelte matt.
»Ja. Wirklich wundervoll. Es überrascht mich, dass es ihrem Mann anscheinend nichts ausmacht, so lange auf sie zu verzichten.«
Seine Stimme klang dabei angespannt, fast schon barsch. Kate fragte sich, ob sie ihn beleidigt hatte, erst dann wurde ihr klar, dass Lady Walsh nichts von Friths Irrtum wusste. Dass sie sich als Mann verkleidet hatte, war wegen der Aufregung um den Erkrankten schnell in Vergessenheit geraten. Sie und ihre Gastgeberin hatten niemals wieder darüber gesprochen. Kate versuchte verzweifelt, Lady Walshs Blick zu erhaschen, um sie zu warnen, diese aber beschäftigte sich gerade intensiv mit dem kleinen Kohlenbecken, das Gilbert aufgestellt hatte, damit sie nicht froren.
»Ehemann!« Lady Walsh lachte leise. »Wie kommt Ihr denn auf diesen Gedanken, John? Kate ist doch nicht verheiratet«, sagte sie, als sie aufstand und sich wieder dem Auspacken des Korbes zuwandte. »Sie ist eine reife Pflaume, die nur darauf wartet, von einem vom Glück begünstigten Mann gepflückt zu werden.« Sie blickte auf, sah zuerst Kate und dann Frith an. Ihre Hand, die gerade den Teller mit gebratenem Hühnerfleisch hielt, verharrte mitten in der Luft. »Ach du liebe Güte«, sagte sie. Das amüsierte Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. »Anscheinend habe ich gerade etwas Falsches gesagt.«
Nach einem Augenblick peinlicher Stille stotterte Kate:
»Ich … ich glaube, Master Frith … hat wohl… was unter den gegebenen Umständen durchaus verständlich ist … angenommen …«
»John Gough ist nicht Euer Ehemann?«, fragte er scharf.
»Nein. Ich bin nicht verheiratet. John Gough ist mein Bruder.«
»Der Mann, der auf der Fahrt hierher mit mir zusammen auf dem Wagen gesessen hat, war Euer Bruder?«
Lady Walsh hüstelte verlegen.
»Meine Lieben, ich denke, wir könnten alle ein wenig heißen Apfelmost vertragen. Fangt schon ohne mich an. Ich bin gleich wieder zurück.«
Und dann waren sie plötzlich allein im Garten, umgeben vom Geruch des Holzfeuers und dem Licht der tief stehenden Herbstsonne. Kate war enttäuscht. Sie spürte, dass sein Blick auf ihr lag, sah jedoch nicht auf, als sie mit ruhiger Stimme sagte:
»Auf dem Wagen saß kein Mann.«
»Kein Mann! Hatte ich etwa Wahnvorstellungen? So krank war ich nun auch wieder nicht. Auf dem Wagen saß sehr wohl ein Mann. Wir haben uns sogar über die Strapazen unterhalten, die wir beide durchgemacht haben. Ich erinnere mich, dass er heiser war, weil …«
»Ich war der Mann auf dem Wagen. Ich hatte das Gewand meines Bruders angezogen und mich für ihn ausgegeben.«
Er sah sie ungläubig an. Sie nestelte an ihrem Umschlagtuch, während sie auf ihre Finger starrte und vergeblich versuchte, sie ruhig zu halten.
»Mir ist nur ein bisschen Staub von der Straße in die Augen gekommen«, flüsterte sie heiser. Es waren genau die Worte, die sie auf der Fahrt zu ihm gesagt hatte. Sie versuchte es wie einen Scherz klingen zu lassen.
Als er nicht lachte, hob sie endlich den Kopf. War er schockiert, vielleicht sogar wütend auf sie, weil sie ihn getäuscht hatte? Sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Er sah nicht sie an, sondern blickte in die Ferne, schien sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Aber natürlich,
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