Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
hüpfte um sie herum und brachte sie mit seinem monotonen Gesang, der aus » non … non … non « bestand, zum Lachen.
Die vergangenen Wochen waren eine harte Zeit für sie gewesen. Es hatte sie in ihrem Stolz zutiefst verletzt, mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen Sohn völlig mittellos in das Zuhause ihrer Kindheit zurückzukehren und ihre Eltern um jedes Stück Brot bitten zu müssen. Nun musste sie wieder nach der Pfeife ihrer Mutter tanzen, sich ihre ungebetenen Ratschläge anhören, wann immer Pipkin quengelte, und ihren Ehemann ständig verteidigen, wegen etwas, das ihre Eltern als gute Katholiken unmöglich verstehen konnten: All das hatte ihr die Lebensfreude genommen.
Mehr als einmal hatte sie ihren Vater brummen hören: »Ein Mann, der auf solche Weise alles verliert, ist ein Narr. Und wofür das Ganze? Nur damit irgendwelche eingebildeten Emporkömmlinge selbst die Bibel lesen können? Ist das nicht genau das, wofür die Priester bezahlt werden?« Ihre Mutter verdrehte dann immer die Augen und sah zu Mary hinüber, die gerade Teig knetete, nähte oder Pipkin stillte – den sie, wie ihre Mutter sagte, längst hätte entwöhnen sollen. Vielleicht stimmte das tatsächlich, aber es war für sie ungemein tröstlich, wenn er sich beim Trinken an sie schmiegte. Von John bekam sie in letzter Zeit weiß Gott wenig Zuwendung. In den beengten Verhältnissen des Landhauses mit seinen vier Zimmern war sowieso kaum Platz für Zuneigung.
Tatsächlich zeigte John noch immer so gut wie kein Interesse an seiner Umgebung. Meistens saß er nur da und starrte ins Feuer, so als wäre er allein im Zimmer. Er antwortete einsilbig, wann immer ihr Vater ihn in ein Gespräch zu verwickeln versuchte, bis es der alte Mann schließlich aufgegeben hatte. Heute Nachmittag aber war eine Veränderung eingetreten. John hatte sich plötzlich von seinem Schemel neben dem Feuer erhoben und verkündet, dass der Holzvorrat ergänzt werden müsse, bevor es Winter werde. Ihre Eltern hatten sich angesehen, so als wollten sie sagen: » Na endlich .«
Pipkin hatte die Arme ausgestreckt.
»Gehen«, hatte er verlangt.
»Nein, Pipkin«, hatte Mary gesagt und inständig gehofft, dass das Kind nicht zu weinen anfangen würde. »Dein Papa muss arbeiten gehen. Dafür darfst du mich begleiten und mir helfen, Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen.«
Also war John allein losgezogen, eine Axt und einen leeren Sack über der Schulter. Und auch wenn er kein Lied auf den Lippen hatte, so lag doch plötzlich wieder eine vertraute Zuversicht in seinem Schritt, eine Zielstrebigkeit, die er so lange hatte vermissen lassen. Inzwischen waren Mary und Pipkin bei ihrem zwanzigsten Lied angekommen und hatten ihren zehnten Eimer Wasser zum Haus geschleppt – seine kleinen Beine stampften, um mit ihr Schritt zu halten. Ihr Rücken schmerzte, weil sie die ganze Zeit gebückt gegangen war, damit das Kind ihr »helfen« konnte, den Wassereimer zu tragen. Dann hatte sie den Jungen mit einem Arm hochgehoben, damit er zusehen konnte, wie das Wasser in das Regenfass neben der Küchentür platschte.
Jedes Mal klatschte er vor Freude quieksend in die Hände und rief: »Patsss!« Und am Brunnen zog er mit seinen beiden dicken Händchen mit an dem Seil, während sie den Eimer mit der quietschenden Winde nach oben holte. Sie wurde allmählich müde, dabei musste sie noch beim Abendessen helfen. Auch Pipkin wurde müde. Vielleicht machte er bald ein Nickerchen, und sie bekäme wenigstens etwas Ruhe. Ihre Mutter würde ihren schlafenden Enkel zärtlich ansehen und ihn einen kleinen Cherub nennen – das sagte sie nur, wenn er schlief –, und John würde mit einem großen Bündel Feuerholz nach Hause kommen und es mit einem zufriedenen Lächeln neben dem Kamin aufschichten. Ihre Mutter freute sich sicher. Ihr Vater wäre glücklich. Und ihr Ehemann würde von der körperlichen Arbeit erschöpft sein und vielleicht die ganze Nacht durchschlafen. Dann konnte sie sich endlich einmal an den Tisch setzen, ohne dass sie Magenkrämpfe bekam.
Sie seufzte angesichts dieser Vorstellung häuslichen Glücks, während ihr nur allzu bewusst vor Augen stand, dass es nur ein Wunschbild war.
»Ich denke, das wird jetzt für den Abwasch reichen. Wir sollten auch etwas Wasser für die Gnome übriglassen, die dort unten im Brunnen wohnen.«
Pipkin bekam große Augen. »Ich werde dir nach dem Abendessen davon erzählen. Aber du musst mir versprechen, dass du brav bist und Großmutters Spindel
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