Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
dachte sie erleichtert. Er hat Wichtigeres im Kopf als dieses dumme Missverständnis zwischen uns. Es war genau so, wie Lady Walsh gesagt hatte. Es musste ihm sehr schwerfallen, all das, was ihm vertraut war, hinter sich zu lassen. Und noch schlimmer musste es für ihn sein, dass er vor mächtigen Feinden auf der Flucht war. Sie beneidete ihn, weil er den Kontinent bereisen würde, um sein Exil beneidete sie ihn jedoch keineswegs.
»Lady Walsh sagte, wir sollten ohne sie anfangen«, meinte er und brach ein Stück Brot ab. Er bestrich es dick mit Kirschmarmelade und biss davon ab, dann bot er es Kate an. Eine Geste der Versöhnung?
Sie aß einen Bissen. Er schmeckte wie nasse Wolle.
»Es tut mir wirklich leid, dass ich das Ganze nicht von Anfang an richtiggestellt habe … aber es schien mir so einfach leichter zu sein … und welchen Unterschied hätte es schon …«
Er sah sie aufmerksam an, studierte ihr Gesicht, so als versuche er sich jede Einzelheit davon einzuprägen. Sein forschender Blick war ihr unangenehm.
»Ihr habt da ein bisschen Kirschmarmelade«, sagte er, streckte die Hand aus und wischte die Marmelade mit dem Finger von ihrem Mundwinkel. Er hielt den Finger an seine Lippen und kostete.
»Jetzt schmeckt sie noch süßer«, sagte er.
Es war eine so intime Geste, so bedeutungsschwer, dass sie das Gefühl hatte, vor Herzklopfen ohnmächtig zu werden. Beim nächsten Vollmond segelt er mit der Flut davon , sagte sie sich. Und mir bleibt nichts als Kummer . Das war so ungerecht. Tränen brannten plötzlich in ihren Augen. Du törichtes Mädchen , schalt sie sich. Er wird dich binnen einer Woche vergessen haben .
Er beugte sich vor und berührte mit seinem Mund sanft ihre Lippen.
»Heiratet mich«, flüsterte er.
Ihr stockte der Atem.
»Wie bitte?«, stammelte sie schließlich.
»Heiratet mich. Ich bitte Euch, mich zu heiraten, Kate Gough«, sagte er. »Begleitet mich auf den Kontinent.«
13
Hey, nonny no!
Männer sind Narren, die sterben wollen!
Ist es schön zu tanzen und zu singen,
Wenn die Totenglocken klingen?
Lied aus einem Manuskript des
Oxforder Colleges Christ Church,
16. Jahrhundert.
M aster Frith hat um meine Hand angehalten«, sagte Kate und versuchte, ihre Fassung zu wahren. »Aber ich kann ihn natürlich unmöglich heiraten.«
Sie saßen in Lady Walshs Schlafgemach. Als die Lady taktvoll darauf verzichtet hatte, in den Garten zurückzukehren, und der Wind aufgefrischt hatte, hatte Kate ihren Patienten gedrängt, sich in sein kleines Zimmer im Dachgeschoss zurückzuziehen und sich dort auszuruhen. »Ihr wart sehr krank«, hatte sie gesagt und dabei versucht, ihn mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen, auch wenn im Moment anscheinend der Wahnsinn das Zepter übernommen hatte. »Und Ihr seid noch immer in Gefahr. Es ist die Angst, die aus Euch spricht. Es ist also nicht der richtige Zeitpunkt, um Frauen, die Ihr kaum kennt, einen Heiratsantrag zu machen.«
» Una . Einer Frau«, hatte er gesagt und dabei einen Finger in die Höhe gehalten. »Einer sehr schönen und sehr begehrenswerten Frau. Mein Engel.«
Sie schüttelte ärgerlich den Kopf und packte mit zitternden Händen ihr kaum angerührtes Festmahl wieder ein. Seine Proteste missachtend, drückte sie ihm einfach den Picknickkorb in die Hand und erklärte ihm energisch, dass er das Essen lieber in seinem warmen Zimmer genießen solle.
Dann war sie davongerannt, um Lady Walsh zu suchen. Diese schien jedoch überaus erfreut über Kates Neuigkeit zu sein.
»Ich wusste es«, rief sie und klatschte begeistert in die Hände. »Ich habe Lord Walsh schon so oft gesagt, dass ihr beide perfekt zueinander passt! Einfach perfekt. Aber warum könnt Ihr ihn nicht heiraten? Oh.« Sie sah plötzlich enttäuscht aus. »Natürlich, Ihr seid bereits verlobt.«
»Nein. Nein, das bin ich nicht. Es ist nur so, dass …«
»Also, meine Liebe, nun wirklich. Jedes andere Hindernis kann doch gewiss aus dem Weg geräumt werden. Ich kenne da zufällig in Reading einen Priester, der Euch auch ohne öffentliches Aufgebot trauen wird – jedenfalls, wenn er von den, sagen wir, besonderen Umständen erfährt.«
»Aber … aber, Lady Walsh, John Frith ist auf der Flucht. Er wird bereits beim nächsten Vollmond das Land verlassen. Und das ist schon in einer Woche! Ich müsste mein Zuhause, England, verlassen. Und er kennt mich doch gar nicht, nicht richtig jedenfalls. Er weiß so gut wie nichts über mich, über mein Leben. Weiß nicht, dass ich
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