Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
auswerfen und den Blick über unsere eigenen Mauern hinweg auf die Städte richten … und vielleicht auch auf Paris.«
Eine tiefe Stille trat ein, als alle das Ausmaß dieser Worte bedachten. Sie waren laut ausgesprochen worden und somit plötzlich real.
»Du meinst London und Louis?«, vergewisserte sich Hugh, nachdem er tief Atem geholt hatte.
Wieder nickte sein Vater.
»Wenn wir London für uns gewinnen, halten wir das Herzstück von Englands Handel in der Hand. Und wenn John sich dann immer noch weigert, mit uns zu verhandeln – nun, Louis von Frankreich wartet ja nur auf eine Gelegenheit …«
Als die Besprechung vorüber war, wartete Mahelt im Hof auf Hugh, der seinem Vater eine gute Nacht wünschte. Ihr Bruder hatte sich bereits in seine Kammer zurückgezogen und die Tür verriegelt. Oben auf der Burgmauer wimmelte es von Soldaten, die Wachen waren verdoppelt und die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden. Mahelt erschauerte und legte eine Hand schützend auf ihren Bauch und das ungeborene Kind.
Hugh trat auf sie zu, öffnete seinen Umhang und schlang ihn um sie.
Sie biss sich auf die Lippe.
»Das, was Will zugestoßen ist, was jetzt hier geschieht, macht mir bewusst, wie leicht uns alles genommen werden kann, woran unser Herz hängt.«
»Hier sind wir sicher.« Er zog sie an sich, sodass sie die Kraft seines Körpers spüren konnte. »Vor jeder Tür stehen Wachposten – absolut loyale Männer.«
»Genau das sollte aber nicht nötig sein. Wir sollten nachts ruhig schlafen können, ohne fürchten zu müssen, dass wir in unseren Betten ermordet werden.«
»Da gebe ich dir Recht. John muss Einhalt geboten, und seine Handlanger müssen verbannt werden.«
»Und wenn das passiert, bedeutet das auch das Ende für meinen Vater. Aber wenn John siegt, gehen wir unter. Es ist eine unerträgliche Situation.«
Hugh fuhr mit der Fingerspitze über ihre Wange.
»Dein Vater ist ein gewiefter Politiker, und er wird überleben, auch wenn er vielleicht nach Irland gehen muss. Wenn
John den Sieg davonträgt … nun, dann wird er der Tochter und dem Enkel des Mannes nichts zuleide tun, der sein größter Halt ist.«
»Obwohl er die Frau meines Bruders hat töten lassen?«
»Dafür gibt es keinen Beweis, es ist nur die Meinung deines Bruders, und auf die kann man sich nicht unbedingt verlassen. Du weißt ja, wie sehr er den König hasst.«
»Weil er bei ihm leben musste«, erwiderte sie voller Abscheu.
»Ja, aber das beweist immer noch nicht, dass John diese Tat begangen hat.«
»Er steckt dahinter. Man muss ja nur an seinen Ruf denken. Wer sonst würde so etwas tun?« Mahelt löste sich aus seinen Armen und ging mit schnellen Schritten auf ihre Kammer zu. Sie eilte an dem Wächter vor der äußeren Tür vorbei und sah, dass einer von Hughs vertrauenswürdigsten Männern vor der mit einem Vorhang abgeteilten Nische saß, in der ihre Söhne schliefen. Der Mann erhob sich schweigend, verneigte sich und machte ihr Platz. Mahelt schob den Vorhang zur Seite, um einen Blick auf die Jungen zu werfen. Nie war ihr die Möglichkeit drohenden Unheils und der Vernichtung von allem, was sie liebte, deutlicher bewusst als jetzt. Erst die Gerüchte über Arthur, die Wahrheit über das Schicksal von Maude de Braose und ihrem Sohn, Johns Übergriffe auf Frauen und jetzt der Verdacht und die Vermutungen bezüglich der Frau ihres Bruders und seines ungeborenen Kindes. Wie viele Beweise brauchten Hugh oder irgendjemand denn noch? Entschlossen verdrängte sie den schmerzhaften Gedanken daran, dass ihr Vater John die Treue halten würde.
Roger lag auf dem Rücken, seine Wangen waren vom Schlaf gerötet, sein dunkles Haar etwas feucht. Sein kleiner Bruder lutschte im Traum an seinem Daumen; seine Wimpern und
Brauen wirkten wie mit Goldstaub besprenkelt. Oh Gott, oh Gott. Sie presste eine Hand vor den Mund. Vor ihren Augen verschwamm alles.
Hugh trat zu ihr und legte einen Arm um ihre Schultern.
»Was auch immer geschieht – ich schwöre, dafür zu sorgen, dass dir und den Kindern nichts geschieht«, flüsterte er.
Roger murmelte im Schlaf und warf sich auf die andere Seite. Seine Eltern zogen sich zurück, um ihn nicht zu wecken. Am Bett entzündete Hugh die Baldachinlampe. Mahelt heftete ihren Blick auf ihn wie ein Krieger, der ein Feld fixiert, auf dem es gleich zu einer Schlacht kommen würde.
»Schwöre es bei deiner Seele«, verlangte sie.
»Ja«, erwiderte er ernst. »Bei meiner Seele.«
Sie musste
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