Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
weiß.«
»Ich hoffe, er besucht mich bald einmal. Ich kann es kaum erwarten, ihn zu sehen.«
»Er kommt sicher, sobald er kann«, erwiderte Mahelt diplomatisch.
»Natürlich muss er erst seine Frau besuchen – und den König.«
Mahelt schwieg.
»Männer und ihre dumme Politik«, schniefte Ida. »Da kämpfen sie wie die Hähne um den Platz ganz oben auf dem Misthaufen.« Sie griff nach ihrer Stickerei und setzte die Nadel in Bewegung. Mahelt beobachtete Idas geschickte Finger. Manchmal meinte sie, der Verstand ihrer Schwiegermutter fließe vollständig in ihre Arbeit, und Näharbeiten seien heutzutage das Einzige, worüber sie eine Entscheidung treffen konnte.
»Ralph wird sicher auch bald freigelassen.« Mahelt begann, die Seide in Idas Nähkorb durchzusehen, um zu überprüfen, ob ihr bestimmte Farben auszugehen drohten. »Viel länger können sie ihn nicht festhalten.«
Ida hielt mit dem Sticheln inne.
»Ich habe Ralph nicht vergessen.« Ihre Stimme klang plötzlich scharf. »Ich bete für ihn, wie ich für alle meine Kinder bete. Und ich hätte mir von ganzem Herzen gewünscht, dass meine beiden Söhne gemeinsam freigekommen wären, aber da dies nicht der Fall ist, ist es doch besser, sich für den einen zu freuen, als um den anderen zu trauern – zumindest heute.«
»Sicher, Mutter. Es tut mir leid«, stimmte Mahelt zu, fragte sich aber, was geschehen wäre, wenn es andersherum gekommen und Ralph und nicht Longespee freigelassen worden wäre.
Ida schlief über ihrer Stickerei ein, und Mahelt trat zum Fenster und sah in den Garten hinaus. Sie wollte, dass der Gärtner dieselben Rosen wie im Garten ihres Vaters anpflanzte, weil sie so wundervoll dufteten und die Farbe wilder Erdbeeren aufwiesen. Sie wurde von Idas Kammerzofe Orlotia aus ihren Gedanken gerissen, die auf Zehenspitzen hereinkam und mit gedämpfter Stimme meldete:
»Madam, Euer Bruder ist hier.«
Mahelt runzelte die Stirn. Sie erwartete keine Besucher. »Welcher meiner Brüder?«
»Lord William, Madam.«
Mahelt stutzte verwirrt. Was tat Will hier in Framlingham? Er sollte bei ihrem Vater sein oder sich um die Angelegenheiten der Grafschaft kümmern. Seine Frau erwartete jeden Tag ihr Kind – oder vielleicht war es sogar schon auf der Welt. Ihr Magen krampfte sich zusammen. »Wo ist er?«
»In Eurer Kammer, Madam.«
Der Unterton in Orlotias Stimme überzeugte Mahelt davon, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste. Ohne Ida zu wecken, stürmte sie aus der Kammer.
Sie fand Will auf der Bank vor dem Feuer. Er barg das Gesicht in den Händen.
»Will?« Plötzlich überkam sie eine namenlose Angst, und deswegen wurde sie zornig. Ihr Bruder sollte sich nicht so gehenlassen.
Will richtete sich auf und ließ die Hände sinken.
»Schließ die Tür, und vergewissere dich, dass niemand lauscht«, sagte er mit gebrochener Stimme.
Mahelt gehorchte benommen, dann ging sie zu dem Vorhang, der die Wohn- von der Schlafkammer trennte, und überzeugte sich, dass dort keine ihrer Zofen die Ohren spitzte.
»Was ist denn?«, wiederholte sie. »Sag es mir!«
Er schluckte mehrmals, schüttelte aber nur stumm den Kopf.
»Bleib hier, ich werde dir einen beruhigenden Trank holen.« Mahelt wandte sich zur Tür, aber er hielt sie zurück.
»Nein, ich … lass mich nur kurz zu Atem kommen.«
Sie drehte sich um und setzte sich zu ihm auf die Bank. Eine bodenlose Angst beschlich sie. Was, wenn ihr Vater erneut krank geworden war? Oder wenn ihrer Mutter oder einem ihrer Geschwister etwas zugestoßen war?
»Lass dir Zeit«, sagte sie sowohl um seinet- als auch um ihretwillen.
»Es ist…« Will schüttelte erneut den Kopf und begann fast zu würgen. »Mein ungeborenes Kind und meine Frau … das Licht meines Lebens …«
»Was?« Mahelt starrte ihn vor Schock wie gelähmt an. Fragen schossen ihr durch den Kopf, aber so schnell, dass ihr keine Zeit blieb, sie zu stellen.
»Alais ist tot!« Will begann zu schluchzen. Voller Entsetzen darüber, dass ihr selbstsicherer, beherrschter Bruder vor ihren Augen die Fassung verlor, versuchte Mahelt ihn zu umarmen, aber er stieß sie weg, und sie musste sich damit begnügen, ihm mit der Hand über den Rücken zu streichen. Großer Gott, Alais musste im Kindbett gestorben sein. Sie versuchte, nicht an das neue Leben zu denken, das in ihr heranwuchs, als könne sie das Kind so vor allem Unheil bewahren.
Will fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
»Meine Frau, mein Sohn, meine Zukunft«, stieß
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