Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Mama!« Roger stürzte mit vor Aufregung hochrotem Gesicht freudestrahlend in die Kammer. Dann besann er sich und zog die Brauen zusammen, als erinnere er sich an etwas. Langsam zog er sein Holzschwert aus dem Gürtel, ließ sich auf ein Knie sinken und bot ihr das Spielzeug auf seinen ausgestreckten Händen dar. Plötzlich war es kein Spielzeug mehr. »Madame«, sagte er feierlich.
Mahelt wollte ihn nur in die Arme schließen und an sich pressen, aber sie wusste, dass sie das nicht durfte – nicht bevor die Szene zu Ende gespielt worden war. Ihr Herz schwoll vor Stolz und Erleichterung, und sie musste die Fäuste ballen, um nicht von ihren Gefühlen übermannt zu werden.
»Erhebt Euch, Lord Bigod.« Irgendwie gelang es ihr, dass ihre Stimme nicht zitterte.
Roger stand auf und lächelte sie an. Er hatte einen Schneidezahn verloren und war gewachsen. Seine Haut wies einen goldenen Schimmer auf, er musste diesen Sommer viel Zeit im Freien verbracht haben, und seine Augen leuchteten. »Ich
habe mit meinem Schwert geübt«, erklärte er. »Du musst keine Angst mehr haben, Mama, jetzt kann ich dich beschützen. Mein Onkel Longespee hat mir Unterricht erteilt.«
Mahelt schluckte.
»Du bist als Mann und wahrer Ritter zurückgekommen«, bestätigte sie. »Mit Worten lässt sich nicht ausdrücken, wie stolz ich auf dich bin.« Und dann brach der Damm, und sie schlang die Arme um ihren Sohn und brach in Tränen aus.
Ein Diener erschien mit einem Krug Buttermilch und einer Platte mit Honigkuchen, stellte alles auf den Tisch und verneigte sich. Bevor er den Raum verließ, trat er zur Seite, um Hugh Platz zu machen. Als Mahelt ihn ansah, spürte sie, wie sich ein Sturm zusammenbraute, vor dem sie sich einerseits fürchtete, über den sie aber andererseits auch froh war. Ein Sturm riss Mauern ein und reinigte die Luft. Aber er würde nicht losbrechen, solange sich das Kind in der Kammer befand, obwohl es der Auslöser dafür war.
»Wie?«, fragte sie nur.
Hugh wog seine Worte mit äußerster Sorgfalt ab.
»Longespee hatte Angst, Louis könnte Salisbury einnehmen, und entschied, dass es an der Zeit war, John die Treue aufzukündigen. Als er nach Winchester kam, brachte er Roger mit.«
»So ein Glück.« Ihre Stimme schnitt wie ein Messer in sein Fleisch. »Hätte er sich immer noch in de Meluns oder Belesets Obhut befunden, wäre er jetzt wohl kaum zu Hause, nicht wahr?«
Hugh holte tief Atem und setzte zu einer Antwort an, doch ihm wurde das Wort abgeschnitten, als Hugo hereingerannt kam und sich wie ein übermütiger Welpe auf seinen Bruder stürzte. Ein wildes Gerangel begann, in dessen Verlauf sich Roger von einer Sekunde zur anderen vom edlen Ritter in einen aufgeregten, kleinen Jungen verwandelte.
»Lauf nur«, sagte Hugh zu ihm. »Spiel mit deinem Bruder, während ich mit eurer Mutter spreche.«
Roger gehorchte bereitwillig, da er Hugo unbedingt sein neues Spielzeugschwert mit der rot-goldenen Einfassung zeigen wollte. Ihre Stimmen verklangen im Gang, und Schweigen breitete sich aus. Mahelts Herz begann zu hämmern.
»Du hättest mir sagen sollen, dass du Ela gebeten hast, ihn zu sich zu nehmen«, begann Hugh. »Es war wirklich ein Schock für mich, als ich auf Roger und Longespee in Winchester traf und erfahren musste, dass du hinter meinem Rücken gehandelt hast.«
Mahelt hob den Kopf und funkelte ihn an.
»Vielleicht habe ich mich daran gewöhnt, meinen eigenen Verstand zu gebrauchen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wenn man sich auf andere verlässt, wird man doch nur enttäuscht, nicht wahr?«
Hugh stieg das Blut in die Wangen.
»Willst du mir das bis ans Ende unserer Tage vorwerfen? Du wusstest, was Longespee mir und meiner Familie in der Vergangenheit angetan hat, und du bist trotzdem zu ihm gegangen!«
»Hättest du ihn lieber der liebevollen Fürsorge der Söldner des Königs überlassen?«, fauchte sie. »Männern wie Engelard de Cigogne und Gerard D’Athée? William Longespee war die tausendmal bessere Alternative. Frag deine Mutter. Sie hat mir ihren Segen gegeben.«
»Das glaube ich gern. In ihren Augen konnte Longespee noch nie etwas falsch machen.«
»Mein Gott!« Mahelt warf den Kopf in den Nacken. »Longespee ist weder ein Heiliger noch ein Teufel. Er ist ein ganz normaler Mann, Hugh, und er war meine Hoffnung für Roger. Wir wären erst gar nicht in diese Lage geraten, wenn du uns
nicht im Stich gelassen hättest. Ich musste mit Zähnen und Klauen kämpfen und ihn
Weitere Kostenlose Bücher