Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Er sorgte dafür, dass er stets beschäftigt war – es gab wahrlich genug zu tun – und beschränkte sein Gefühlsleben auf das Oberflächlichste. Meistens half ihm das, aber manchmal, so wie heute Nacht, stieg der Schmerz aus den Tiefen empor und drohte ihn zu verschlingen.
Er ging ins Haus zurück und schlich auf Zehenspitzen zu der mit einem Vorhang abgetrennten Nische in der Halle hinüber, in der seine Kinder unter einer weichen Schaffelldecke schliefen. Die Fensterläden standen offen. Im Mondschein betrachtete er seine Söhne, die sich wie junge Hunde zusammengerollt hatten. Ihre kleine Schwester schlief neben dem Bett ihrer Kinderfrau in ihrer Wiege. Hugh wurde von der Liebe zu ihnen überwältigt, und das Gewicht der Last auf seinen Schultern verdoppelte sich. Wie konnte er für alle da sein, die auf ihn angewiesen waren?
Mit schleppenden Schritten ging er in Richtung Schlafkammer, obwohl er erwogen hatte, heute Nacht bei den Männern
in der Halle zu schlafen. Es wäre leichter für ihn, hieße aber, seine Niederlage einzugestehen, und angesichts der unsicheren Lage im Land war es möglich, dass er Mahelt nie wiedersah. Vorsichtig betrat er die Kammer. Er wollte sich zu ihr legen, er wusste nicht, ob sie ihm den Rücken zukehren würde oder nicht. Aber das Bett war leer und ihre Zofe nirgendwo zu sehen. Sein Herz wurde schwer, als er überlegte, ob sie wohl davongelaufen war – ob sie mit Hilfe einer Leiter über die Mauer geklettert und losgaloppiert war, wie sie es schon einmal getan hatte. Dann schüttelte er den Kopf und schalt sich einen Narren. Sie würde vielleicht ihn verlassen, die Kinder jedoch niemals.
In der Kammer seiner Mutter brannte noch Licht, und dort fand er Mahelt neben dem Bett sitzend vor. Sie trug einen Umhang über ihrem Hemd, und ihr langer, dunkler Zopf fiel ihr über die Schulter, doch ihr Scheitel war respektvoll mit einem Schleier bedeckt. Pater Michael saß auf der anderen Seite des Bettes und hatte die Hände im Gebet gefaltet.
Mahelt blickte zur Tür.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte sie ruhig. »Alle, die Abschied nehmen wollen, sollten sich beeilen.«
Morgenlicht fiel durch die Läden, tauchte die gewebte Matte in einen goldenen Schimmer, und die rote Seidenbettdecke glänzte. Draußen spielten die Kinder im Obstgarten, ihr Lachen klang fröhlich und lebhaft.
Ida schlug die Augen auf. Ein schwaches Lächeln spielte um ihre trockenen Lippen.
»Ich bin froh, meine Enkel spielen zu hören«, flüsterte sie. »Es ist Balsam für meine Seele.«
»Versuche, dich noch ein wenig auszuruhen«, bat Mahelt. Ihre Schwiegermutter hatte die Nacht überlebt und war im Morgengrauen erwacht, fühlte sich aber sehr schwach.
»Dafür habe ich später noch Zeit«, erwiderte Ida. »Viel, viel Zeit.« Aber ihre Augen fielen zu, und sie döste einen Moment lang wieder ein. Die Rufe der Kinder wurden lauter, als sie unter dem Fenster herumtollten, und verklangen dann wieder.
Abgesehen von dem Priester wachte Mahelt allein bei Ida. Hugh hatte die Kammer verlassen, um seinen Männern Anweisungen für den bevorstehenden Ritt nach Norden zu erteilen, der Earl hatte sich noch nicht blicken lassen. Longespee und Ralph waren benachrichtigt worden, aber es waren vier Tagesritte bis London, und auch mit schnellen Pferden konnten sie unmöglich rechtzeitig eintreffen.
Idas Augen standen wieder offen, und sie sagte matt, aber verständlich:
»Tochter, du musst Hugh verzeihen – um eurer beider und um der Kinder willen.«
Mahelt erwiderte nichts darauf. Sie setzte sich auf, es schien, als ziehe sie sich zurück.
»Erfülle einer sterbenden Frau eine letzte Bitte«, fuhr Ida heiser fort. »Ich möchte, dass du und mein Sohn in Harmonie zusammenlebt, nicht als Feinde. Du darfst nicht zulassen, dass der König diese Familie entzweit, denn dann hat er gewonnen.« Sie schluckte trocken, und Mahelt half ihr, einen Schluck aus dem Becher mit Wasser versetztem Wein zu trinken. »Du bist stärker als John.« Idas Kopf sank in die Kissen zurück. Der Wein glänzte auf ihren Lippen. »Stärker, als ich es war … so viel stärker.« Ihre Stimme verklang. Mahelt blickte sie furchterfüllt an, aber Ida sammelte nur ihre letzte Kraft. »Versprich es mir.«
Mahelt verspürte ein Ziehen im Magen. Was Ida verlangte, war unerfüllbar, aber wie konnte sie ihr diese Bitte abschlagen? »Ich verspreche es.« Sie drückte Idas Hand.
»Gut.« Ida nickte. »Jetzt bring Hugh zu
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