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Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)

Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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beschützen, weil du, sein eigener Vater, deine oberste Pflicht nicht gekannt hast!«
    »Hör mir zu, ich habe ihn nicht im Stich gelassen und dich, Hugo und Isabelle auch nicht. Genauso gut könnte man behaupten, dein Vater hätte deine Mutter in Irland im Stich gelassen, aber das wäre natürlich nicht dasselbe, nicht wahr? Es gibt eine Regel, die für gewöhnliche Sterbliche gilt, und eine für die Marshals!« Seine Stimme klang rau und drohte zu brechen. »Ich bin auch nur ein Mann, der versucht, sich einen Weg durch diesen Morast zu bahnen. Ja, ich mache Fehler, und ich gleite dann und wann aus, aber in Gottes Namen, Mahelt  – warum kannst du für mich nicht dasselbe Mitgefühl aufbringen wie für andere auch. Oder muss ich als Sündenbock für alle anderen herhalten, die dich in deinem Leben enttäuscht haben? Steckt das in Wahrheit dahinter?« Seine Augen glitzerten wie Saphire.
    »Wenn ich dich im Stich gelassen habe, dann hast du mich verraten. Oder verschließt du vor dieser Erkenntnis gleichfalls die Augen?«
    Mahelts Kehle schnürte sich vor Kummer und Zorn zu  – Zorn auf Hugh, auf sich selbst, auf die ganze Welt.
    »Wie kannst du es wagen?«, formten ihre Lippen tonlos.
    Roger stürmte, noch immer in einen spielerischen Kampf mit Hugo verstrickt, wieder in den Raum. Zwei kleine Jungen und die Tochter eines der Ritter hatten sich ihnen angeschlossen.
    Hugh stieß vernehmlich den Atem aus, während er Mahelt anstarrte. Sie hielt seinem Blick unverwandt stand, wobei sie sich vorkam, als wären sie zwei gegnerische Krieger, die einander abschätzten; beide angeschlagen, aber mit gezückten Schwertern. Die Luft zwischen ihnen knisterte förmlich.
    Die Kinder flatterten wie eine Spatzenschar durch die Kammer, stürzten sich auf die Honigkuchen und schossen wieder ins Freie. Ihre Stimmen hallten im Hof wider.
    »Oh Gott«, krächzte Hugh schließlich. »Ich bin dein Mann, nicht dein Feind. Denk einmal darüber nach.« Er eilte hinaus, ließ aber die Tür hinter sich offen. Sie sah ihm nach, als er davonging, in einen Lichtbalken trat, der sein Haar golden und seinen Mantel so blau wie eine Glockenblume schimmern ließ, dann schloss sie die Augen.

44
    Friday Street, London, September 1216
     
    Hugh stand im Hof und sog den Duft der Herbstnacht tief in sich ein. Für Frost war es noch zu früh im Jahr, aber in der Luft lag bereits ein Hauch von klammer Kälte; es roch nach verbranntem Holz, und er war froh, dass er auf dem Weg nach draußen seinen dicken Umhang vom Haken genommen hatte.
    Im Haus herrschten mehrere Arten von Stille: Menschen schliefen und waren in ihre Träume versunken, gleichzeitig nahm man eine angespannte Ruhe wahr, weil manche den Atem anhielten, um keine Emotionen preiszugeben, während für andere jeder Atemzug einen kleinen Sieg bedeutete. Über London war eine Ausgangssperre verhängt worden, doch er spürte hinter den Mauern der Stadt, wie das Leben pulsierte.
    Hugh wollte London verlassen, um Lincolnshire und den Norden vor weiteren Plünderungen des Königs zu schützen. Longespee und Ralph belagerten mit Louis Dover, sein Vater blieb mit Ida, Mahelt und den Kindern in London.
    Er hatte einen sauren Geschmack im Mund. John hatte ihre Familie auseinandergerissen, hatte die Spitze seines Schwerts in den Mörtel gebohrt, der alles zusammenhielt, und das Gefüge aus Geborgenheit zum Einsturz gebracht. Und Hugh wusste nicht, ob es ihnen gelingen würde, die Ruinen wieder aufzubauen, so wie sein Vater einst Framlingham wieder aufgebaut hatte.
    Er drehte eine Runde durch die Ställe, sah nach den Pferden
und zog Trost aus ihrem Stampfen und ihrem warmen, nach Heu duftenden Atem. Er fütterte Hebon mit einer Brotkruste, woraufhin Pie in seinem Stall laut zu schnauben begann, wie er es immer tat, wenn er wusste, dass mit Leckerbissen zu rechnen war. Reumütig lächelnd ging Hugh zu ihm und gab ihm zwei Apfelkerngehäuse, die er aufgehoben hatte. Das Pony zermalmte sie gierig und verlangte mehr. Hugh dachte an den Tag, an dem Pie versucht hatte, Mahelts Schleier zu verspeisen, an das Gelächter und die zwischen ihnen sprühenden Funken. Erst lächelte er, dann kniff er die Augen zusammen und fluchte leise. Seit Rogers Rückkehr hatte Mahelt ihn auf Distanz gehalten. Sie war freundlich und aufmerksam, und sie war nicht mehr Mahelt. Es war, als hielte er eine feine Wachskerze in der Hand, die er nicht zu entzünden vermochte, ein unerträglicher Gedanke, den er zu verdrängen versuchte.

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