Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
dasselbe. Soldaten zogen vorbei, stahlen, brandschatzten und zerstörten alles, was ihnen in die Hände fiel, sodass für ihre Feinde nichts mehr übrig blieb und sie sich nicht von den Früchten des Landes ernähren konnten.
Hugh bot ihr an, sie in die nächste Stadt zu bringen, doch sie lehnte heftig ab. Aber sie nahm die Hand voll Silberpennys an, die er ihr gab, und die Decken und das Brot, das Mahelt von ihren Vorräten abzweigte.
»Du solltest dich von der Straße fernhalten und zur Priorei Thetford gehen«, riet ihr Hugh. »Sag ihnen, der Earl of Norfolk schickt dich, und man soll dir im Namen der Countess Ida Almosen geben.«
Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu.
»In wessen Namen habe ich denn das hier erhalten?«, fragte sie, auf ihr zerstörtes Haus deutend.
Hugh beschloss, die Straße zu verlassen und über wenig bekannte Nebenstrecken zu reiten, was die Reisezeit zwar verlängerte, aber die Wahrscheinlichkeit verringerte, dass sie auf räuberische Truppen trafen. Nach wie vor verpestete der Rauchgestank die Luft, und sie stießen immer wieder auf Menschen, die sich mit ihren geretteten Besitztümern und Tieren in Wäldchen und Senken versteckten. Manchmal sahen sie auch Leichen: Männer, die mit geschwollenen Hälsen und gebrochenem Genick an Bäumen baumelten. Einmal bot sich ihnen ein herzzerreißender Anblick – eine tote ältere Frau, die ein Baby, offenbar ihr Enkelkind, umklammert hielt. Mahelt zwang sich hinzusehen, denn jemand musste diese Gräueltaten bezeugen, und den Blick abzuwenden wäre feige gewesen. Auch Hugh wandte den Blick nicht ab, sein Mund hatte sich vor Abscheu verzogen. Überall hörten sie dieselben Geschichten: König Johns Männer waren brandschatzend und plündernd durchgezogen, gefolgt von den Franzosen, die es ihnen gleichtaten. Es war, wie die alte Frau gesagt hatte – es machte keinen Unterschied. Die Welt stand in Flammen.
Bei Anbruch der Dämmerung legten sie eine Pause ein, um
die Pferde zu tränken und die Nacht in Bishop’s Stortford zu verbringen, das Hugh für relativ sicher hielt, da es nur einen Tagesritt von London entfernt lag. Hier gab es keine Handlanger des Königs, und die Franzosen waren auf ihrem Weg nach Norden schon vorbeigekommen.
Sie baten im Herrenhaus um Gastfreundschaft und erhielten von dem Haushofmeister des Bischofs einen Stall und Schlafplätze in der Halle zugewiesen. Die Vorräte waren knapp, also hielten sie sich an das, was sie selbst hatten, und tranken dazu einheimisches Ale, das schwach und sauer schmeckte. Die Dienstboten beobachteten sie voller Angst.
Hughs Vater schlang seinen Pelz um sich und brütete über seinem Becher.
»Diese alte Frau«, sinnierte er. »Welche Gerechtigkeit ist ihr widerfahren? All die niedergebrannten Höfe, all die brennenden Felder und toten Tiere und Menschen. Wir heiraten, bekommen Kinder und bauen uns etwas auf, und dann sehen wir entweder zu, wie es zerstört wird, oder wir greifen selbst zur Fackel. Einst hatte ich eine bezaubernde junge Frau, und ich habe aus der Asche der Burg, die der König niedergebrannt hat, ein neues Heim für uns erbaut. Jetzt habe ich keine Frau und keine Burg mehr, überall sehe ich ausgebrannte Häuser, was wir wieder einmal einem König zu verdanken haben. Ich habe zu lange gelebt.«
»Du bist erschöpft, des Reisens überdrüssig und trauerst.« Hugh war entsetzt, als er hörte, wie sein Vater von Aufgeben sprach. Sonst war er jeder neuen Herausforderung mit stoischer Ruhe entgegengetreten. »Du wirst anders denken, wenn wir wieder in London sind.«
Sein Vater rieb sich die rot geränderten Augen.
»Schreib mir nicht vor, was ich zu denken und zu empfinden habe.« Er ging zu dem Strohsack, den sein Knappe für ihn ausgerollt
hatte, hüllte sich ohne ein weiteres Wort in seinen Umhang und drehte den anderen den Rücken zu.
Hugh setzte sich auf die Bank vor dem Feuer und schlang seinen eigenen Umhang enger um sich. Mahelt nahm neben ihm Platz. Er reichte ihr seinen Becher. Sie trank einen Schluck, und er sah ihr dabei zu. Sie hatte unterwegs sehr wenig gesprochen und sich beim Anblick der vielen Grausamkeiten immer tiefer in sich zurückgezogen.
»Dein Vater hat Recht«, stellte sie dumpf fest. »Louis und John – zwischen ihnen besteht kein Unterschied, nicht wahr?«
»In Friedenszeiten sogar ein großer«, widersprach Hugh. »Aber im Krieg – nein.« Er nahm ihr den Becher ab, trank und füllte ihn erneut, denn obwohl das Ale nicht
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