Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
widerstrebend zugewiesen hatte. Bislang war Thetford einem Überfall der verschiedenen Armeen entgangen, die kreuz und quer durch die Region zogen, und er verspürte kein Verlangen, die Aufmerksamkeit irgendeiner Seite auf Saint Mary zu lenken. Er hieß seine Gönner warmherzig willkommen, erkundigte sich zugleich aber höflich, wann sie wieder abzureisen gedachten.
»Morgen früh«, versicherte ihm Hugh. »Bei Tagesanbruch.«
Danach entspannte sich der Prior sichtlich und versprach
seinerseits, für die Sicherheit der letzten Ruhestätte der Countess zu sorgen und täglich Messen für ihr Seelenheil lesen zu lassen.
»Es ist furchtbar, mit ansehen zu müssen, wie das Land sich erneut spaltet«, seufzte er. »Mein Großvater hat mir grässliche Geschichten von dem Krieg zwischen Kaiserin Matilda und ihrem Vetter Stephen um die Herrschaft über England erzählt. Es hieß damals, Christus und die Heiligen hätten geschlafen. Nun wiederholt sich das Grauen. Die Felder brennen, und Männer töten sich aus purer Machtgier. Ich bete jeden Tag um Frieden.«
»So wie wir alle«, erwiderte Hugh. »Aber solange es keine Gerechtigkeit gibt, gibt es auch keinen Frieden.«
»Dann werde ich auch um Gerechtigkeit beten.«
»Ja, fürwahr.«
»Und um Barmherzigkeit.«
Hugh nickte höflich. Er hatte in der letzten Zeit wenig Barmherzigkeit erlebt, obwohl er in einem Winkel seines Herzens noch immer daran glaubte, dass Gott gnädig war. Alle Grausamkeiten wurden von Menschen begangen.
Er wachte eine weitere Nacht am Grab seiner Mutter, zusammen mit seinem Vater, der nur noch ein Schatten seiner selbst war, als sei Ida der Teil seines Lebens gewesen, der seine Seele genährt hatte. Der Earl wollte seine Rüstung nicht ablegen und bestand darauf, in voller Montur Wache zu halten.
»Ich habe sie immer alleine gelassen«, erklärte er. »Dauernd war ich unterwegs und musste sie zurücklassen, und sie hat es gehasst. Vermutlich erinnerst du dich an diese Zeiten – an die Kopfschmerzen und die Tränen. Es ging nicht anders, ich musste meine Pflicht tun, aber das hat sie nie verstanden. Und jetzt…« Er schloss die Augen. »Gott steh mir bei, nun ist sie diejenige, die mich verlassen hat, und ich weiß nicht, wie ich es
ertragen soll … aber ich muss es ertragen, denn so wie sie habe auch ich keine andere Wahl.« Er senkte den Kopf und begann von neuem leise zu schluchzen.
Am Morgen nahm Mahelt ein letztes Mal Abschied von ihrer Schwiegermutter, während die Reisegruppe sich für die Rückkehr nach London vorbereitete.
»Ruhe in Frieden«, sagte sie, als sie einen Kranz aus Immergrün auf das Grab legte. »Ich werde oft kommen. Wir werden dich nicht vergessen, das schwöre ich dir.«
Doch die einzige Antwort, die sie erhielt, war das leise Trommeln des Regens auf den Dachschindeln und die schlurfenden Sohlen eines Mönches auf den Fliesen. Ein Gefühl von erdrückender Schwermut überwältigte sie.
Nachdem sie fünf Meilen zurückgelegt hatten, rochen sie Rauch, dann sahen sie von einem nahe gelegenen Gehöft dunkle Wolken aufsteigen. Hugh ordnete an, dass sie dicht beieinander bleiben sollten, und schickte Kundschafter aus, die die nähere Umgebung durchkämmten.
»Das stammt nicht von einem Kohlenbrenner oder einem gewöhnlichen Feuer.« Sein Gesicht wirkte besorgt, und seine Hand fuhr an den Griff seines Schwertes.
Mahelts Stute, die der beißende Geruch störte, warf den Kopf hoch und begann nervös zu tänzeln.
»Das kann doch unmöglich der König sein«, meinte Mahelt.
»Es könnte das Werk eines Plünderungstrupps sein.«
Ein Kundschafter kam zurückgaloppiert.
»Ein ausgebrannter Bauernhof, Mylord«, meldete Gervase de Bradefield. »Geschlachtetes Vieh und ein paar Leichen. Alle anderen konnten vermutlich fliehen. Der Pferdemist ist frisch. Ich würde sagen, sie sind kurz nach der Morgendämmerung
hier durchgekommen. Den Spuren nach zu urteilen ungefähr dreißig Mann, aber der Boden ist ziemlich zerwühlt.«
Das entsprach ungefähr der Anzahl ihrer Leute. Ein so großer Trupp ließ auf Plünderer schließen, die sich von einer größeren Armee in der Nähe getrennt hatten, aber wo sich diese Armee befand, konnte Hugh nicht sagen. Auf dem Weg nach Cambridge vielleicht oder nach Peterborough. Hoffentlich wollten sie nicht nach Thetford, denn wo immer sie auftauchten, hinterließen sie ein Bild der Verwüstung.
Als sie ihre Pferde antrieben, begann die Kirchenglocke eines Dorfes warnend zu läuten.
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