Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
ärgerlich zu. »Wenigstens begibt er sich aus freien Stücken und nicht wie der Marshal-Junge als Geisel in die Hände von Longespees königlichem Bruder. Möge uns eine solche Situation erspart bleiben.«
Hugh spürte, wie seine Mutter erschauerte.
»Fürwahr«, flüsterte sie. »Ich werde für die Marshals und ihren Sohn beten.«
Sie kehrten in die Halle zurück, in der jetzt, wo die Besucher aufgebrochen waren, eine bedrückende Stille herrschte. Hugh vermisste Longespee nicht im Geringsten, aber Ralph hatte eine Lücke hinterlassen, und plötzlich war er froh, dass er seinen jüngeren Bruder dazu hatte überreden können, seine übel riechenden Wolfsfelle zurückzulassen.
8
Burg Striguil, walisische Grenze, Januar 1206
Mahelt saß bei ihrer Näharbeit und lauschte dem Regen, der gegen die Fensterläden prasselte. Sie arbeitete an einem Kissenbezug für ihre Aussteuertruhe. Da sie wusste, was für eine geschickte Stickerin ihre zukünftige Schwiegermutter war, gab sie sich mit der Weißstickerei große Mühe. Jedes Mal, wenn sie die Nadel durch den Stoff zog, wurde ihr bewusst, wie schnell die Zeit verging. Vor drei Monaten hatte ihre Monatsblutung eingesetzt. Sie wurde »Blume« genannt, denn wie eine Blume produzierte ihr Körper nun Samen, und sie konnte jetzt ein Kind empfangen, auch wenn ihr Becken noch nicht breit genug war, um es erfolgreich zur Welt zu bringen. Mahelt war stolz und ängstlich zugleich gewesen, denn das monatliche Blut markierte den Übergang vom Mädchen zur Frau und brachte sie ihrer Heirat einen Schritt näher. Niemand hatte dieses Thema bislang direkt angesprochen, sie hatte nur ein neckisches Lächeln und ein paar Bemerkungen geerntet, während sie an ihrer Brautausstattung arbeitete, aber sie wusste, dass der einst ferne Punkt am Horizont unaufhaltsam näher rückte.
Sie hob den Kopf zum offenen Fenster, als eine Fanfare die Ankunft ihres Vaters ankündigte, und legte erleichtert ihre Näharbeit beiseite.
Ihre Mutter hielt gleichfalls mit der Arbeit inne und gab den Dienern knappe Anweisungen, das Feuer zu schüren.
»Sie werden bis auf die Haut durchnässt sein«, meinte sie im Hinblick auf den strömenden Regen.
Mahelt sprang auf und griff nach ihrem Umhang.
»Ich gehe hinunter!« Sie stürmte hinaus, fieberhaft bestrebt, ihren Vater als Erste zu begrüßen und ihn zumindest einen Moment lang für sich zu haben. Ihre weichen Ziegenlederschuhe boten keinen Schutz vor den Pfützen auf dem Burghof, aber sie achtete weder darauf noch auf das Wasser, das der Saum ihres Gewandes aufsog. Als ihr Vater den Torweg entlangritt, wuchs ihre Erregung. Einen Augenblick lang war sie wieder das kleine Mädchen in der Normandie, das, überglücklich über seine Rückkehr, verlangte, dass er sie vor sich in den Sattel hob. Diese Erinnerung trieb sie vorwärts. Mit einem strahlenden Lächeln griff sie nach dem Steigbügel, insgeheim hoffend, dass er sich gleichfalls an die alten Zeiten erinnern und sich zu ihr hinunterbeugen würde.
Er hatte über dem Sattelknauf gehangen, aber jetzt richtete er sich mühsam auf.
»Matty.« Seine Stimme glich einem heiseren Krächzen. »Matty, wo ist deine Mutter?«
Mahelts freudige Erregung schlug in Furcht um. Seine Augen glänzten und blickten zugleich trübe wie polierte, aber zerkratzte Steine. Seine Wangen leuchteten hochrot.
»Im Bergfried, sie erteilt den Frauen ein paar Anweisungen…«
»Hol sie, mein Liebes …« Er stieg ab, hielt sich aber an dem Pferd fest, als seine Beine unter ihm nachzugeben drohten. Mahelt spürte die Hitze, die von ihm ausging wie von einem Kohlebecken. »Geh, Kind… komm nicht näher, sei ein gutes Mädchen. Ich bin von der Reise erschöpft, ich möchte nicht auf dich fallen.«
Mahelt begriff, dass er versuchte, die Situation herunterzuspielen,
aber es gelang ihm nicht. Ein Diener kam, um ihn zu stützen, als das Pferd fortgeführt wurde. Mahelt rannte zum Bergfried zurück. Ihre Mutter hatte sich in einen Umhang gehüllt und war auf dem Weg, ihren heimgekehrten Mann zu begrüßen. Mahelt packte sie am Arm.
»Komm schnell! Papa ist krank. Er hat Fieber und kann kaum allein stehen!«
Ihre Mutter warf ihr einen entsetzten Blick zu und folgte ihr hastig. Als sie und Mahelt den unteren Hof erreichten, wurde William gerade von seinem Ritter Jean D’Earley und einem kräftigen Stallknecht zum Bergfried geführt. Nach einem leisen Schreckensschrei presste Isabelle die Lippen zusammen und eilte den Männern zu
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