Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
aufgewirbelten Staub schob.
Earl Roger musterte seinen jüngeren Sohn streng.
»Genau darum geht es«, mahnte er. »Man soll etwas lernen.«
Später an diesem Abend, innerhalb der Mauern von Niort, wo sie als Befreier gefeiert wurden, schlug die englische Armee ihr Lager auf. In der Halle des Donjon saß Hugh mit seinem Vater, Ralph, Will Marshal und Longespee am Feuer. Letzterer war nach dem erfolgreich verlaufenen Tag und zwei Bechern guten Rotweins, der von einem französischen Vorratskarren stammte, in aufgeräumter Stimmung. Einen dritten, halb geleerten
Becher hielt er in der Hand. Seine Wangen waren gerötet. In der Runde wurde ein zotiges Trinklied über Franzosen und Jungfrauen gesungen, und entspannt stimmte er mit ein.
»Sowie sich Poitou wieder in unseren Händen befindet, können wir unser Augenmerk auf Anjou richten«, verkündete er, seinen Kelch schwenkend. »Noch bevor dieser Feldzug beendet ist, wird mein Bruder in Angers Hof halten, denkt an meine Worte. Wir jagen die Franzosen zum Teufel!«
Die Männer tranken ihm zustimmend zu, weil ihnen nach dem heutigen Tag alles möglich erschien. Heute Abend mochte niemand in Erwägung ziehen, dass sie vielleicht gegen den Wind spuckten.
Ein unangenehmes Kribbeln im Nacken ließ Hugh aufblicken, und im nächsten Moment warf er sich auf die Knie. Die anderen Männer beeilten sich, seinem Beispiel zu folgen, als der König persönlich in den Feuerschein trat. Die Juwelen an seinem Hals und seinen Fingern glitzerten. John bedeutete der Gesellschaft, ihre Plätze wieder einzunehmen, und dankte den Männern für den heute errungenen Sieg. Dann heftete sich sein Blick auf Longespee.
»Ich verspüre das dringende Verlangen, heute Abend zu würfeln«, sagte er. »Was meinst du, Bruder?«
Longespee neigte den Kopf.
»Wenn dies Euer Wunsch ist, Sire, erfülle ich ihn gern.«
John lächelte in die Runde.
»Ihr seht, Mylords, wie leicht ich zufriedenzustellen bin.«
Roger of Norfolk hob lakonisch eine Braue.
»In der Tat, Sire, aber ich frage mich, wie viel Lord Salisbury verlieren wird.«
John zog es vor, die Bemerkung als Scherz aufzufassen, sodass alle anderen auch zu lachen wagten.
»Nichts, was ihm gehört«, versetzte er, »denn alles, was er ist
oder besitzt, verdankt er seiner königlichen Familie. Sein Leben, sein Land, seine Frau, seine Privilegien: alles Geschenke von unserer Seite. Und da er das weiß, hütet er sich, in die Hand zu beißen, die ihn füttert – im Gegensatz zu manchen anderen.« Sein Blick schweifte flüchtig zu Will Marshal, bevor er wieder mit dem Ausdruck eines Besitzers, der seinen Lieblingshund betrachtet, auf Longespee ruhte. Longespee schlug errötend die Augen nieder. John machte Anstalten, weiterzugehen, blieb dann aber stehen, drehte sich um, nestelte mit einer Hand an den Juwelen an seinem Hals herum und umfasste mit der anderen seinen Ledergürtel. »Jetzt fällt es mir wieder ein, Marshal«, sagte er. »Ich habe es bedauert, von der schweren Erkrankung Eures Vaters erfahren zu müssen. Ich werde für ihn beten.«
Will starrte John entsetzt an.
»Von der Erkrankung meines Vaters, Sire?«
»Ihr wusstet das nicht?« John sah ihn entschuldigungsheischend an. »Ah, ich nehme an, meine Boten sind schneller als die Eurer Familie. Sie werden doch sicher nicht vergessen haben, Euch zu benachrichtigen? Eine Lungenentzündung, wie ich hörte, und dazu Fieber. Nicht ungefährlich für einen Mann seines Alters. Wie ich schon sagte – ich werde für ihn beten.« John schritt davon, dabei bedeutete er Longespee mit einem Fingerschnippen, ihm zu folgen.
Longespee zögerte voller Unbehagen. Er legte Will eine Hand auf die Schulter.
»Wenn das stimmt, tut es mir sehr leid. Ich werde für deinen Vater zur Jungfrau Maria beten und versuchen, weitere Einzelheiten in Erfahrung zu bringen.« Er wandte sich ab und verließ hinter John den Raum.
Will blickte sich schwer atmend um.
»Ich sollte nicht hier sein, sondern zu Hause. Warum hat mir niemand etwas gesagt?«
»Weil die Boten des Königs schneller waren, das hast du ja gehört«, gab Roger zurück. »Vielleicht ist ja alles halb so schlimm. Dein Vater oder seine Verwalter würden dich bestimmt erst benachrichtigen, wenn die Lage wirklich ernst ist. Beruhige dich, mein Junge. Wir werden morgen versuchen, mehr herauszufinden.«
Hugh verstand den viel sagenden Blick, den sein Vater ihm sandte, nur zu gut. Mit »Boten« hatte John Spione gemeint. Wahrscheinlich war
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