Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
einem harten Blick.
»Dieser Meinung sind einige.«
»Viele«, widersprach Hugh. »Wie du mit deinen eigenen Augen sehen kannst.«
Longespee musterte ihn gereizt.
»Das macht es auch nicht besser.«
Roger deutete auf Longespees Zelt.
»Wie ich sehe, brichst du dein Lager nicht ab?«
»Nein.« Longespee richtete sich auf. »Ich soll eine Armee anführen und La Rochelle befreien. Bislang haben sie durchgehalten, aber sie brauchen Verstärkung und Vorräte, und zumindest das kann der König ihnen zur Verfügung stellen, auch wenn er sonst nicht viele Möglichkeiten hat. Es wäre eine unerträgliche Schande, wenn sich der König von Frankreich Poitou und die Normandie einverleibt, findet Ihr nicht?«
Roger neigte den Kopf. Sein Ton blieb gelassen und taktvoll. »Ich wünsche dir viel Erfolg, und möge Gott seine schützende Hand über dich halten.«
Hugh schloss sich den Wünschen seines Vaters an, ein höfliches Lippenbekenntnis, denn seine wahren Gefühle waren anders geartet. Es war typisch für seinen Halbbruder, ein militärisches Abenteuer als seine oberste Pflicht zu betrachten. Sollten sich doch andere um die Ernten und alle anderen Grundlagen des Lebens kümmern. Wofür gibt es denn Diener? , hatte er Longespee bei mehr als einer Gelegenheit fragen hören.
Longespee verneigte sich zur Antwort.
»Grüßt bitte meine Mutter von mir, und sagt ihr, ich komme sie nach meiner Rückkehr mit Ela besuchen.«
»Das werde ich tun.«
Longespee schlenderte zu seinem Zelt und erteilte Befehle. Hugh stieß vernehmlich den Atem aus und öffnete und schloss die Hände, um seine Muskeln zu lockern.
»Zumindest ist es ein handfester strategischer Zug von John, Truppen unter einem Befehlshaber, dem er vertrauen kann, nach La Rochelle zu schicken«, meinte Roger. »So bleibt er ein Dorn in König Philips Fleisch, und es ist machbar. Longespee ist für diese Aufgabe wie geschaffen. Er mag so lästig sein wie ein härenes Hemd, aber seine Fähigkeiten als Soldat lassen sich nicht leugnen.«
Hugh kämpfte mit seiner Antipathie. Wenn er ehrlich war, musste er trotz der unerträglichen Überheblichkeit seines Halbbruders dessen militärisches und seemännisches Geschick anerkennen. Als er merkte, dass sein Vater ihn mit wissenden Augen beobachtete, hielt er die Hände still.
»Longespee ist wertvoll für den König und daher auch für unsere Familie«, fuhr Roger fort. »Deine Mutter liebt ihn, er ist mein Stiefsohn und dein Halbbruder. Aus diesen Gründen ist er mir immer willkommen …«
»Vater«, warf Hugh steif ein.
»…aber er ist kein Bigod.«
Der subtile Humor in der Stimme seines Vaters änderte Hughs Stimmung. Er begann zu grinsen und konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken.
»Gott behüte.«
Sein Vater schlug ihm auf die Schulter.
»Komm«, sagte er. »Die Pferde sind gesattelt, wir können aufbrechen. Das Gepäck lassen wir nachkommen.«
7
Hamstead Marshal, Berkshire, Juli 1205
Mahelt saß in der Kammer ihrer Brüder auf Richards Bett. Ihre Welt war aus den Fugen geraten. Von Wills Bett stand nur noch der Rahmen da. Die Matratze war zusammengerollt, mit Riemen gesichert und zusammen mit Decken und Kissen auf das Packpferd geschnallt worden. Seine Kleidertruhe war leer, sein Spielbrett und das Kästchen mit den beinernen Würfeln verschwunden. Keine Umhänge und Mäntel hingen mehr an den Wandhaken. Noch vor zwei Abenden hatten sie hier gewürfelt und sich spielerisch geneckt, und die Atmosphäre war angeregt und unbeschwert gewesen. Jetzt fand sich hier kein Beweis mehr dafür, dass Will überhaupt existierte. Mahelt starrte auf das Stück grün-goldener Seide in ihren Händen. Sie konnte es nicht fassen, dass König John Will als Unterpfand für die Loyalität ihrer Familie gefordert und ihr Vater diesem Ansinnen zugestimmt hatte. Am Hof hatte es Ärger gegeben, weil ihr Vater dem König von Frankreich einen Eid geschworen hatte, um seine normannischen Ländereien zu sichern, bis Richard volljährig wurde. Jetzt hatte John im Gegenzug Will verlangt. Ihr hatte man gesagt, ihr Bruder werde ein Knappe, was vorteilhaft für ihn sei und als wertvoller Teil seiner Ausbildung seinen Horizont erweitere, aber Mahelt wusste, dass Worte oft einem Gazetuch glichen, mit dem man einen Misthaufen bedeckte. Ihre Eltern hatten wegen Johns Forderung gestritten. Ihre Mutter hatte sich geweigert, doch ihr Vater sagte, sie hätten keine
andere Wahl – und sein Wort war Gesetz. Nie zuvor war Mahelts
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