Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Sicherheit von Trennungen bedroht worden, und sie war zutiefst aufgewühlt und wütend.
Die Tür ging auf, und Will trat ein. Er trug seinen Reiseumhang, Stiefel und eine dunkle Kappe mit aufgerollter Krempe. Sein Gesicht verriet nicht, was in ihm vorging, aber Mahelt wusste, dass er nicht gehen wollte – nicht zu John.
»Was tust du denn hier?«, fragte er barsch. »Alle anderen warten im Hof.«
Mahelt richtete sich auf.
»Dasselbe könnte ich dich fragen.«
»Ich vergewissere mich, dass ich nichts vergessen habe.« Er bückte sich und hielt Tripes, der in den Ecken des Raumes herumgeschnüffelt hatte, eine Hand hin. Der Hund leckte daran und rollte sich auf den Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen.
Ihre Kehle schnürte sich zu.
»Das wollte ich auch … aber du hast alles mitgenommen, ich habe es überprüft.« Tränen brannten in ihren Augen, als sie ihm das gefaltete Seidentuch hinhielt. »Ich wollte es dir geben, wenn ich es fertig habe, aber jetzt musst du es so nehmen.«
Will hörte auf, den Hund zu streicheln, nahm das Tuch entgegen und entfaltete ein kleines Seidenbanner, das mit seinem roten Marshal-Wappen, einem roten Löwen auf grün-goldenem Hintergrund, zur Befestigung an einer Lanze bestimmt war.
Er schluckte entschlossen.
»Ich werde es immer bei mir tragen«, versprach er.
Das war zu viel für Mahelt. Alles ging zu Ende. Nichts würde je wieder so sein wie früher. Was sollte sie nur ohne ihn anfangen? Mit einem leisen Jammerlaut schlang sie die Arme um seinen Nacken und umarmte ihn fest.
»Ich lasse dich nicht gehen!«
Er erwiderte ihre Umarmung und schwang sie durch die Luft. »In Gedanken wirst du immer bei mir sein, das schwöre ich.«
Sie spürte seine Haut und sein Haar und versuchte förmlich, in ihn hineinzukriechen, denn sie wusste, dass diese Umarmung ihre letzte sein konnte. Ob dem nun so war oder nicht, auf jeden Fall schloss dieser Moment die Tür zu ihrer Kindheit.
Er musste Druck ausüben, um ihre Arme zu lösen und sie von sich zu schieben.
»Es wird alles gut, Matty.« Er lächelte, versuchte die Stimmung aufzulockern. »Ich glaube, du bist nur neidisch, weil du auch gerne ein Knappe werden und ein schönes, großes Schlachtross reiten würdest.«
Die Erwähnung ihres Spitznamens bewirkte, dass sie vor Schmerz am liebsten laut aufgeheult hätte, aber sie bezwang sich und schluckte ihre Gefühle hinunter, bis ihr Magen sich zusammenkrampfte.
»Ich würde an deiner Stelle gehen, wenn ich könnte.«
»Das glaube ich gern, aber ich fürchte, ich verfüge über kein großes Geschick beim Sticken, und die Bigods würden zweifellos einen Schock erleiden.«
Mahelt zwang sich mitzuspielen, sie lächelte mit tränenverhangenem Blick und verpasste ihm einen tadelnden Rippenstoß.
»Außerdem ist es meine Pflicht.« Er sah sich ein letztes Mal um. Mahelt verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um ihn nicht erneut an sich zu drücken.
Er schob sie vor sich die Wendeltreppe hinunter und in den Hof hinaus. Die Sommersonne brannte auf die gesattelten Pferde und Packtiere herab und glitzerte auf dem Zaumzeug und dem Geschirr. Will ritt auf dieser Reise einen neuen grauen
Hengst und nahm Equus als Zweitpferd mit. Ihr Vater, der ihn begleitete, saß schon im Sattel und wirkte so gelassen wie immer. Mahelt fragte sich, wie ihm das gelang. Sie versuchte, es ihm gleichzutun, aber es ging nicht. Ihre Mutter war blass, ihre Augen voller Kummer, doch sie hielt den Kopf hoch erhoben.
»Wir werden nicht verzagen«, hörte Mahelt sie murmeln, als sie zusahen, wie Will sich auf sein Pferd schwang. »Niemals.« Ihre Stimme wurde nahezu unhörbar. »Aber mein Sohn, mein Kind!«
Mahelts eigener Kummer drohte sie zu überwältigen, zugleich wallte Zorn auf König John in ihr auf, der ihre Familie so grausam auseinanderriss. Als das letzte Pferd durch das Tor trottete, wirbelte sie herum, floh in die Kammer, die sie mit ihren kleinen Schwestern teilte, warf sich auf das Bett, hieb mit den Fäusten auf das Kissen ein und weinte bitterlich.
Nach einer Weile kam ihre Mutter herein und setzte sich zu ihr auf das Bett. Sie nahm Mahelt in die Arme und strich ihr über das Haar.
»Lass dich nicht entmutigen, meine Tochter«, mahnte sie, obwohl ihre Augen auch geschwollen und rot gerändert waren. »Weine nur, aber morgen musst du stark sein. Vergiss nicht, wer wir sind. Was auch immer uns genommen wird – unserer Ehre und unseres Stolzes können sie uns nicht
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