Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
der Marschall wirklich krank, wollte aber, dass dies erst bekannt wurde, wenn es sich nicht mehr umgehen ließ. Andererseits war John für seine gelegentlichen Anflüge von Grausamkeit bekannt und durchaus imstande, Geschichten zu erfinden, um andere zu quälen. Entsprach seine Behauptung der Wahrheit, mussten sie die Situation im Auge behalten, damit sie sich auf Veränderungen einstellen konnten. War es eine Lüge, dann bewies Johns Bemerkung gegenüber dem jungen Mann, wie sehr der Treueeid, den der Marschall Philip von Frankreich geleistet hatte, noch immer an ihm nagte.
In der Familienkapelle von Striguil kniete Mahelt vor dem Altar und bekreuzigte sich wiederholt.
»Heilige Maria, Mutter Gottes, verschone meinen Vater, schenk ihm das Leben.« Ihre Stimme klang in ihren Ohren schwach und zittrig. Sie hatte sich noch nie so hilflos gefühlt, und das machte sie zornig – zornig darüber, dass dies ihrem geliebten Vater widerfuhr und nicht König John. Er war derjenige, der leiden sollte!
Der Priester hatte an diesem Morgen am Bett ihres Vaters gesessen. Zuerst hatte Mahelt befürchtet, sein Zustand hätte sich verschlechtert, und er müsse die Letzte Ölung erhalten. Als man ihr versichert hatte, dieser Besuch diene allein geistlichem
Beistand, hatte ihr das keine Erleichterung gebracht, denn sie hatte es nicht geglaubt. Sie wusste, dass man ihr manches verschwieg. Ihre Familie glaubte, sie dadurch zu beschützen, aber im Ungewissen gelassen zu werden frustrierte sie zutiefst. Sie wollte sich den Problemen des Lebens stellen, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Das taten nur Feiglinge.
Ihr Vater war schon so viele Tage krank, dass sie nicht wusste, wie lange er noch durchhalten würde. Einen großen Teil der Zeit hatte er im Fieberdelirium gelegen. Er ließ nicht zu, dass seine Kinder seine Krankenkammer betraten, damit sie sich nicht ansteckten, und weigerte sich sogar, Isabelle dort zu dulden, doch diese überging seine Proteste einfach. Auch das ärgerte Mahelt – dass ihre Mutter den Gehorsam verweigern oder zumindest die Dinge selbst in die Hand nehmen konnte, wohingegen ihr auch dies verwehrt blieb. Sie schwor sich, dass sie, sobald sie als erwachsene Frau ihrem eigenen Haushalt vorstand, diesen so führen würde, wie sie es für richtig hielt, und nicht so, wie andere es ihr vorschrieben.
Ihre Knie waren gerötet und schmerzten von den langen Stunden auf dem gefliesten Kapellenboden vor dem Altar, wo sie die Jungfrau Maria angefleht hatte. Die Vorstellung, ihr Vater könne tot unter einem kalten Grabstein liegen, entsetzte sie. Nicht ihn, bitte nimm nicht ihn! Wenn er starb, würde ihre Welt zusammenbrechen, weil seine allumfassende Liebe dann für immer aus ihrem Leben verschwand. In diesem Fall wäre Will nicht länger nur Johns Geisel, sondern sein Mündel, da er noch nicht volljährig war. Sie alle wären Johns Mündel, die er an den Meistbietenden verschachern würde. Ihre Verlobung bliebe zwar bestehen, aber ihre drei kleinen Schwestern sowie ihre vier Brüder würden der Willkür des Königs ausgeliefert sein, von ihrer Mutter ganz zu schweigen, die eine wohlhabende Gräfin und noch im gebärfähigen Alter war. Johns Spielball
zu sein wäre das Schlimmste, was ihnen passieren konnte, darüber machte sie sich keine Illusionen.
Sie erhob sich und trat zu dem kleinen Wasserbecken, um sich das Gesicht zu waschen. Das kalte Wasser erfrischte sie und jagte ihr gleichzeitig einen Schauer über den Rücken.
»Mahelt?«, erklang die Stimme ihrer Mutter.
Mahelt fuhr zu ihr herum und fürchtete einen schrecklichen Moment lang, sie würde ihr eine schlimme Nachricht überbringen.
»Nein, Mama, nein!«
»Keine Angst.« Isabelle winkte rasch ab. »Alles ist gut, Matty. Das Fieber sinkt, und er fragt nach dir.« Sie lächelte, dann lachte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Wange. Sie breitete die Arme aus, und Mahelt warf sich hinein.
»Ist er… geht es ihm besser?«
»Oh ja!« Die Stimme ihrer Mutter zitterte, klang jedoch entschlossen. »Aber er ist so schwach wie eine junge Katze. Wir dürfen ihn nicht anstrengen. Er braucht jetzt Ruhe und Pflege.«
»Ich werde mich um ihn kümmern.« Mahelt fuhr mit dem Ärmel über ihr Gesicht. »Ich spiele Laute für ihn, singe ihm etwas vor und erzähle ihm Geschichten.«
»Aber nicht alles auf ein Mal«, warnte Isabelle. »Ich sagte doch, dass er Ruhe braucht.«
»Ich kann auch ruhig sein!« Sie würde alles tun, damit
Weitere Kostenlose Bücher