Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
D’Earley im Stall darüber sprach. Er sagte, er müsse nach Leinster und dort einige Dinge klären, er habe alles zu lange schleifen lassen – und er würde dem König schreiben und seine Erlaubnis für die Reise einholen.«
Mahelt hörte die Signalfanfare des Hornisten und das Quietschen der Winde, mit der das Netz mit Weinfässern in die Höhe gezogen wurde. Als kleines Mädchen war sie einmal in Irland gewesen. Ihre Großmutter Aoife, eine Tochter des Hochkönigs von Leinster, hatte damals noch gelebt, und Mahelt erinnerte sich an die kahle, kalte Festung von Kilkenny mit dem undichten Dach und den zugigen Kammern. Sie hegte auch noch vage Erinnerungen an die Reparaturarbeiten, die ihr Vater hatte vornehmen lassen, und den Hafen, der am Fluss Barrow angelegt worden war, um Handelswege für Leinster zu erschließen. Und an den Regen. An den ewigen Regen. Ihr Vater hatte sie immer unter seinen pelzgesäumten Umhang gezogen, damit sie warm und trocken blieb.
»Aber er hat doch Verwalter dort, die sich an seiner Stelle um alles kümmern können«, meinte sie.
»Ja, aber sie tun nicht gerade ihr Bestes, und einige von ihnen sind Lakaien von König John. Leinster ist Mamas Mitgift und ihr Witwensitz, vergiss das nicht.«
Mahelt zuckte die Achseln.
»Und?«
Richard wirkte plötzlich ernst.
»Nun, dort wird Mama leben, wenn sie Witwe ist.«
Mahelt versetzte ihm einen Stoß.
»Sag so etwas nicht.«
»Man muss den Tatsachen ins Auge blicken. Genau das tut Papa. Er hat unsere normannischen Ländereien gerettet, damit ich sie erben kann. Jetzt muss er den Rest für Mama, Will, für uns alle sichern.«
Mahelt fröstelte und begann, auf und ab zu gehen, während sie die Arme um den Oberkörper schlang. »Will ist eine Geisel des Königs«, sagte sie. »Manche Leute kehren aus der Obhut des Königs nie zurück. Jeder weiß, dass Prinz Arthur während seiner Zeit als Johns Gefangener verschwand. Gerüchten zufolge hat John ihn umgebracht – und Arthur war sein Neffe.« Arthur hatte John den englischen Thron und die Herrschaft über die Normandie und Anjou streitig gemacht und darauf gepocht, die stärkeren Rechte zu haben. Während einer darauffolgenden Schlacht war er gefangen genommen und in den Turm von Rouen geworfen worden – und nie wieder zum Vorschein gekommen.
Richard starrte einen Moment lang nachdenklich vor sich hin, dann schüttelte er sich.
»Das wissen wir doch alle nur vom Hörensagen. Papa hätte John Will nie überlassen, wenn er gefürchtet hätte, John würde ihm etwas zuleide tun.«
»Aber wenn Papa nach Irland geht, ist er nicht greifbar, wenn etwas passiert.«
»Vertraust du seinem Urteil nicht?«
»Doch, natürlich.« Mahelt beschleunigte ihre Schritte, als könne sie so ihren Ängsten entkommen, ganz zu schweigen den Veränderungen, die ihr eigenes Leben erfahren würde, wenn ihr Vater tatsächlich die Irische See überquerte.
9
Framlingham, Suffolk, Dezember 1206
Eine dünne Schneeschicht bedeckte den Boden wie verschüttetes Mehl um einen Backtrog, als Hugh Hebon bestieg. Im Hof wimmelte es von Hunden und Pferden, und Männer schwangen sich in den Sattel, bereit für die winterliche Hirschjagd im Park von Framlingham. Der Earl wurde von Rückenschmerzen geplagt und weigerte sich, an der Jagd teilzunehmen. Lieber saß er am warmen Feuer, trank gewürzten Wein und kümmerte sich um Verwaltungsangelegenheiten. Sollten doch andere für frisches Wildbret sorgen, wenn sie unbedingt wollten. Aber er kam in seinem pelzverbrämten Umhang in den Hof hinaus, um dem Trupp viel Glück zu wünschen.
Longespee war zu Besuch und brannte darauf, endlich loszureiten. Auch sein kastanienbrauner Hengst stampfte ungeduldig mit den Hufen und schlug mit dem Schweif. Nachdem Longespee als ruhmreicher Sieger aus Poitou zurückgekehrt war, hegte er eine noch höhere Meinung von sich selbst. Roger wechselte ein wissendes Lächeln mit Hugh. Sie hatten beide gleichfalls in Poitou ihre Pflicht getan, strebten aber nicht nach Glanz und Ruhm, während Longespee sein ganzes Leben diesem Ziel unterordnete.
»Waidmannsheil!« Roger gab Ralphs Pferd einen Schlag auf das Hinterteil.
»Waidmannsdank. Wir bringen genug Wildbret für ein Bankett mit!«
Roger grunzte.
»Dann hoffe ich, du hast deine Mutter und die Köche gewarnt.« Sein Blick wanderte von Ralph zu dem Boten, der gerade in den Hof ritt. Sein Pferd trug am Brustband das Wappen der Marshals. Plötzlich war Roger noch erpichter darauf, am
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