Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Feuer zu sitzen und seinen Geschäften nachzugehen. Obwohl sich der Marschall von seiner schweren Krankheit erholt hatte, war er noch nicht bei Hof erschienen. Es waren verschiedene Gerüchte im Umlauf, aber nach dem, was Roger gehört hatte, schien es sicher, dass William Marshal nach Irland aufbrechen wollte, sobald König John seine Einwilligung dazu gab. Ein solcher Entschluss hatte Folgen für alle Verbündeten Marshals. Als die Jagdgesellschaft zum Seitentor hinausströmte, zog sich der Earl ins Haus zurück und wies den Haushofmeister an, den Boten unverzüglich zu ihm zu bringen.
Obwohl es geschneit hatte, war der Untergrund weich und trügerisch. Hugh ging behutsam mit Hebon um. Natürlich war es etwas anderes, wenn man nur zum Vergnügen ausritt, als sein eigenes Leben und das seines Pferdes in einer Schlacht aufs Spiel zu setzen, trotzdem war er seit der Sache mit Arrow vorsichtig geworden. Er wäre viel lieber zu Hause bei seinem Vater geblieben, aber es wurde von ihm erwartet, Longespee zu begleiten und den guten Gastgeber zu spielen. Longespee sah das natürlich nicht so, aber er würde ja auch ein Pferd bedenkenlos zu Tode reiten, nur um eine Wette zu gewinnen. Er hatte sich bereits an die Spitze des Trupps gesetzt, sein Umhang wehte hinter ihm her, und wilde Erregung spiegelte sich in seinem Gesicht wider. Hugh versuchte erst gar nicht, mit ihm mitzuhalten. Wenn er das tat, würde er die unterschwellige Spannung zwischen ihnen nur steigern.
Die Treiber schwärmten aus, bliesen ihre Hörner und schlugen
mit Reisigbesen und Stöcken auf das Unterholz ein, um durch den Lärm das Wild aus seiner Deckung zu scheuchen. Die Hunde zerrten hechelnd an ihren Rosshaarleinen. Plötzlich ertönte ein lautes »Hallooo!«, als ein Damhirsch aus einem Haseldickicht sprang und zwischen den Bäumen verschwand. Die Hunde wurden losgelassen, und die Reiter nahmen die Verfolgung auf. Hugh wendete Hebon in einem engen Kreis, als der Hirsch in Richtung des tiefen Grabens davonpreschte, der den Rand des Parks von den dahinter liegenden Feldern trennte. Während er den anderen folgte und am Rande des Grabens entlangritt, bemerkte er, dass an einer Stelle der Untergrund locker geworden war und ausgebessert werden musste.
Der Hirsch machte kehrt und brach zwischen den Bäumen zu Hughs Linken hervor. Er schoss an Hugh vorüber, jagte am Rand des Grabens entlang und stürmte in den Wald zurück. Hebon zuckte vor Schreck zusammen, verlor das Gleichgewicht und schleuderte Hugh von seinem Rücken und über den Grabenrand. Hugh rollte den schlammigen, steilen Hang hinunter, versuchte verzweifelt Halt zu finden und landete, mit dickem, klebrigem Schlamm bedeckt, im Graben. Er hörte Hebon über sich schnauben und stampfen. Sein rechtes Handgelenk, über das sich ein langer blutiger Kratzer zog, brannte wie Feuer, in seinen Rippen und seiner linken Hüfte tobte ein sengender Schmerz. Er wischte sich die Hand an seinem Umhang ab, aber da er vor Schlamm starrte, machte das kaum einen Unterschied.
Die Jagdgesellschaft, die den Hirsch verfolgte, kam zurück, erst die lauthals kläffenden Hunde, dann die grölenden Männer. Hugh hatte bei dem Sturz sein Jagdhorn verloren, aber er wölbte die Hände vor dem Mund und stieß einen lauten Ruf aus, von dem er hoffte, dass er in dem allgemeinen Lärm gehört werden würde. Sie würden doch sicherlich sein reiterloses
Pferd bemerken? Zu seiner Erleichterung hörte er jemanden eine warnende Fanfare blasen. Einen Moment später tauchte Ralphs Gesicht am Rand des Grabens auf.
»Hugh?«
»Hier unten!«
»Lieber Himmel. Bist du verletzt?«
»Nein. Hol mich hier raus. Hast du Hebon?«
»Ja. Was ist passiert?«
»Der Hirsch hat das Pferd erschreckt, und es hat mich abgeworfen.« Auf den lauten Wortwechsel hätte Hugh gerne verzichtet. Er kam sich unendlich lächerlich vor. Seit er sechs Jahre alt war, war er nicht mehr vom Pferd gefallen.
»Was ist los?«, erkundigte sich Longespee ungeduldig. »Der Hirsch entkommt uns!«
»Hugh ist gestürzt, aber ihm ist nichts passiert«, erklärte Ralph.
Longespee knurrte etwas Abfälliges, das Hugh nicht verstand, dann spähte er über den Rand und rief nach unten:
»Kannst du herausklettern?«
»Nein, der Hang ist zu steil und zu glitschig. Ich brauche ein Seil oder eine Leiter.«
»Und du bist nicht verletzt?«
»Nein!«, fauchte Hugh, ohne auf den Schmerz in seinem Arm und seiner Seite zu achten.
»Gut. Wir schicken dir jemanden, sobald wir
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