Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
gesprochen hatte, jetzt nur noch von zweien seiner Ritter wie Wachhunde flankiert wurde. Die anderen Männer mieden ihn, da es sich als schädlich erweisen konnte, mit jemandem Umgang zu pflegen, der beim König in Ungnade gefallen war. Ein Mann musste immer darauf achten, mit wem er sprach, und jedes seiner Worte sorgfältig abwägen. Dies war einer der Gründe, weshalb Roger Hugh scharf im Auge behielt, um im Notfall sofort eingreifen zu können.
Er holte tief Atem, weil die nächsten Minuten höchst unerquicklich
werden würden, aber über gewisse Dinge durfte kein Mantel des Schweigens gebreitet werden, und wenn er daran dachte, was sich in Thetford hinter seinem Rücken abgespielt hatte, stieg ihm noch immer die Zornesröte ins Gesicht. Mit gesenktem Kopf stapfte er durch die Halle und verbeugte sich formell vor William Marshal.
Für sein fortgeschrittenes Alter hatte sich der Marschall sein Äußeres bewahrt. Sein Fleisch spannte sich noch straff über den Knochen, doch aus der Nähe bemerkte Roger, wie hager er seit Hughs und Mahelts Hochzeit geworden war. Seine Wangen wirkten eingefallen, und unter seinen Augen lagen dunkle Schatten.
William bedachte ihn mit dem glatten Lächeln eines erfahrenen Höflings.
»Wie ich hörte, zieht der Hof morgen nach Freemantle weiter«, eröffnete er das Gespräch.
Roger neigte den Kopf.
»Wenigstens sind die Straßen trocken«, erwiderte er mit aufkeimender Gereiztheit. Er wollte sich nicht in eine belanglose Unterhaltung verstricken lassen und konnte es sich wegen seines Rufes nicht leisten, zu lange in der Gesellschaft des Earl of Pembroke gesehen zu werden.
»Wie geht es Eurer Tochter?«, fragte William nach einem Moment noch immer lächelnd.
Roger war sich wohl bewusst, dass der Marschall sich auf Mahelt bezog, nicht auf Marie oder Marguerite. Knapp erwiderte er:
»Ich hatte den Eindruck, sie sei Eure Tochter, Mylord.«
Einen Moment lang herrschte angespanntes Schweigen, während beide Männer die unterschwellige Bedeutung der Worte des jeweils anderen zu ergründen suchten. An Williams Kinn zuckte ein Muskel.
»Nicht mehr, da sie nun eine Bigod ist, aber ich hoffe, sie ist glücklich und zufrieden. Ich … ich denke oft an sie …«
Verblüfft registrierte Roger den schmerzlichen Unterton in der Stimme seines Gegenübers und das feuchte Schimmern in seinen Augen. William Marshal bot für gewöhnlich das Bild des vollendeten Höflings, der sämtliche Gefühle hinter einer herzlichen, gelassenen Fassade verbarg. In diesem Augenblick begriff er, wie sehr der Mann an Mahelt hing – was er für gefährlich hielt. Im Leben sollte Gleichgewicht herrschen, und dieses Gleichgewicht sollte auf festen Füßen stehen. »Seid versichert, dass wir alle um ihr Wohlergehen besorgt sind«, erwiderte er. »Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um sie zu beschützen.« Er warf William einen kühlen Blick zu. »Ich habe ein wachsames Auge auf alles, was innerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs geschieht.«
William verneigte sich.
»Was ja Eure Pflicht ist, Mylord.«
Roger gab das Kompliment zurück.
»Ich freue mich, dass wir uns verstehen«, schloss er und gesellte sich zu einer anderen Gruppe. Roger rieb seine schweißfeuchten Handflächen gegeneinander. Die Sache war erledigt. Aus und vorbei. Als er über seine Schulter blickte, sah er, dass William ein wenig in sich zusammengesunken war. Teilweise empfand er leisen Triumph und fühlte sich bestätigt, aber das machte nur einen kleinen, den weniger edelmütigen Teil seiner Persönlichkeit aus. Eigentlich machte er sich Sorgen und brachte sogar Mitgefühl für William auf, weil sich jeder Mann jederzeit in seiner heiklen Lage wiederfinden konnte. Vor zwei Jahren hatte der Marschall gesagt, er sei ein Spiegel für sie alle, und damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen.
Hugh befand sich mit seinem Schwager auf dem Weg zur Latrine. Er hatte seinen Vater bei William Marshal stehen sehen, und nun war es an ihm, mit Will zu sprechen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand in Hörweite war, sagte er: »Du hättest deine Schwester nicht in deine Aktivitäten verwickeln sollen. Du hast sie in große Gefahr gebracht.«
Der junge Mann funkelte ihn mit schillernden Augen an, die ihn an Mahelt erinnerten.
»Du kennst meine Schwester nicht«, erwiderte er von oben herab.
»Ich lerne sie jeden Tag besser kennen«, gab Hugh ohne ein Lächeln zurück. »Sie würde für dich, ihren Vater und ihre
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