Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Kopf. »Nein, wir sollten erst in Erfahrung bringen, was Gerücht und was die Wahrheit ist. Was auch immer geschehen ist, wir können es nicht ändern. Wir haben nur einen Vorteil – wir sind vorgewarnt.«
Als Hugh die Kammer verließ, wäre er beinahe mit Mahelt zusammengeprallt. Ihr aschfahles Gesicht und ihre flammenden Augen verrieten ihm, dass sie zumindest einen Teil des Gesprächs mit angehört hatte. Hugh fluchte innerlich, spähte über seine Schulter, sandte ein Dankgebet gen Himmel, weil sein Vater sie nicht bemerkt hatte, und zog sie unsanft in einen dämmrigen Korridor.
»Lauschst du schon wieder an Schlüssellöchern?«, flüsterte er. »Ich dachte, du hättest deine Lektion gelernt!«
Mahelt entwand sich seinem Griff.
»Warum sollte ich das nicht tun, wenn es um Dinge geht, die auch mich betreffen? Ich habe schließlich gehört, wie du mit deinem Vater über meinen Vater geredet hast!«
Hugh versuchte sich das Gespräch ins Gedächtnis zu rufen. Er griff erneut nach ihr und zog sie noch ein Stück weiter von der Kammer seines Vaters weg, während er versuchte, den angerichteten Schaden abzuschätzen. Die Tür war massiv, und sie war in das Spiel in der Halle vertieft gewesen, als er sich mit seinem Vater zurückgezogen hatte. Sie konnte nicht alles gehört haben.
»Was sollte das heißen – ›wenn er gestürzt wird‹?«, zischte sie. »Was habt ihr für Neuigkeiten?«
Hugh blickte sich noch einmal nervös um, dann entgegnete er leise:
»Der König hat Meilyr FitzHenry nach Irland zurückgeschickt und die älteren Ritter deines Vaters zum Hof beordert. Ralph meinte, wir sollten das wissen.«
Mahelt blinzelte heftig.
»Sie werden diesem Befehl keine Folge leisten«, gab sie hitzig zurück. »Jean würde nie gegen den Willen meines Vaters handeln oder meine Mutter allein zurücklassen.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Warum tut John meiner Familie das an? Warum kann er uns nicht in Ruhe lassen? Oh, ich hasse ihn!« Sie begann zu schluchzen.
»Nicht doch, Mahelt.« Hugh schloss sie in die Arme und küsste sie. Nichts wünschte er sich mehr, als sie vor allen Kümmernissen dieser Welt bewahren zu können, und König John war ein solches Kümmernis. Ihr Vater und ihre Brüder in gewisser Weise auch, weil alles, was ihnen zugefügt wurde, auch sie wie einen Schlag traf. Sie mochte dem Gesetz nach eine Bigod sein, und ihre Loyalität sollte zuallererst dieser Familie gelten, aber er vermutete, dass sie in ihrem Inneren immer eine Marshal bleiben würde. Nichts würde daran etwas ändern können.
Roger war etliche Monate nicht mehr am Hof gewesen, hielt es aber für ratsam, sich wieder einmal dort blicken zu lassen und einen günstigen Eindruck zu erwecken. Natürlich konnte man sich von Abgesandten und Familienangehörigen vertreten lassen, aber jetzt galt es, persönlich die Dinge voranzutreiben.
Er stand in der geschäftigen Halle von Marlborough und ließ den Blick kurz zu Hugh schweifen, der sich mit einigen Männern unterhielt, unter ihnen Longespee, Ralph, der Earl of Oxford und Mahelts als Geiseln gehaltene Brüder. Den Älteren hatte man aus dem Norden zurückgeholt, doch er
durfte nie längere Zeit an einem Ort verweilen. Die Marshal-Brüder standen ein kleines Stück abseits, als würde sie eine unsichtbare Barriere von den anderen Männern trennen. Zumindest entsprachen die Gerüchte, die Ralph in seinem Brief erwähnt hatte, nur zur Hälfte der Wahrheit. Meilyr FitzHenry war tatsächlich mit dem Auftrag, William Marshals Ritter nach England zu beordern, nach Irland zurückgekehrt, aber die Geschichte von dem Kampf und der Gefangennahme der Countess hatte sich zum Glück als Produkt von Johns Bosheit und seines Wunschdenkens erwiesen. Aufgrund des schlechten Wetters hatten während des letzten Monats keine Schiffe die Irische See überqueren können.
Roger registrierte zufrieden, dass Hugh es verstand, sich bei den Höflingen beliebt zu machen. Er setzte sein umgängliches Wesen und sein gutes Aussehen geschickt ein, gab sich weder draufgängerisch wie andere junge Gecken, noch war er affektiert und hatte wie Longespee eine Schwäche für ausgefallene Kleidung. Roger stellte fest, dass sein Sohn aber noch lernen musste, sich gewissen Männern gegenüber nicht allzu offen zu geben, doch das würden Zeit und Erfahrung schon mit sich bringen.
Als er den Blick weiter durch den Raum wandern ließ, fiel ihm auf, dass William Marshal, der mit dem Bischof von Norwich
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