Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
fassen bekommen haben, folgerte sie, denn nur er trug eine solche Verzierung.
»Hab dich!«, rief sie triumphierend, dabei riss sie sich ihre Kapuze vom Kopf.
Er grinste.
»Du meinst, ich habe dich gerettet«, berichtigte er sie.
Mahelt reckte die Nase in die Luft und stemmte die Hände in die Hüften.
»Wohl kaum!«
Er zwickte sie in die Nase und küsste sie auf die Wange.
In körperlicher Hinsicht balancierten sie und Hugh auf Messers Schneide. Seit November war er oft fort gewesen und hatte sich um die Geschicke der Grafschaft und seiner Landsitze kümmern müssen. Während seiner Abwesenheit stand sie unter der unliebsamen strengen Aufsicht seines Vaters, der seine Augen überall hatte. Wenn Hugh zu Hause war, verhielt er sich nach außen hin zurückhaltend, dennoch konnten sie ein paar Momente allein miteinander verbringen. Sein Vater konnte sie nicht ständig überwachen, und sogar er ließ ein gewisses
Maß an formellem Werben zu, vorausgesetzt, es hielt sich in Grenzen der Schicklichkeit.
Rogers Haushofmeister trat zu seinem Herrn und drückte ihm ein paar Worte murmelnd ein versiegeltes Päckchen in die Hand. Mahelts Magen krampfte sich zusammen. So erging es ihr immer, wenn sie einen Boten sah, denn er konnte Nachrichten aus Irland oder vom Hof bringen. Der Earl erbrach das Siegel und überflog den Inhalt der Botschaft. Seine Miene blieb unbewegt, was alles oder nichts bedeuten konnte. Mahelt wandte sich ab, stürzte sich mit wilder Entschlossenheit wieder in das Spiel und wurde erneut gefangen. Hugh schüttelte den Kopf.
»Was soll ich nur mit dir anfangen?«, meinte er mit einem bekümmerten Seufzer. »Ich kann dich ja nicht vor dir selbst retten.«
Sie warf den Kopf in den Nacken.
»Ich brauche nicht gerettet zu werden«, behauptete sie hochmütig, um ihre nagende Furcht zu verbergen. Energisch zog sie sich die Kapuze ein zweites Mal über den Kopf. Der nächste Spieler, den sie zu packen bekam, war ihre Schwägerin Marie, und als Mahelt ins Licht blinzelte und sich umblickte, fiel ihr auf, dass Hugh und sein Vater nicht mehr da waren. Unter dem Vorwand, den Abtritt aufsuchen zu müssen, verließ sie gleichfalls die Halle.
Hugh schloss die Tür des Privatgemachs seines Vaters. Graupelschauer trommelten gegen die Fensterläden, und die Flammen der Kerzen in den Wandhaltern flackerten in dem eisigen Luftzug.
»Vater?«
Roger reichte ihm eine Pergamentrolle.
»Sie ist von Ralph. Ich weiß nicht mehr, was ich glauben
soll. Die Gerüchte bei Hof besagen, dass die Männer des Marschalls in Irland überwältigt worden sind.«
Alarmiert las Hugh den Brief seines Bruders. Auf dem Pergament schimmerte noch der geisterhafte Abdruck des Rückgrats des Schafes. Meilyr FitzHenry war nach Irland zurückgekehrt, und der König hatte die obersten Ritter des Marschalls zu sich beordert, damit sie sich für ihr Verhalten rechtfertigten. Sie hatten sich geweigert, woraufhin der König behauptet hatte, Neuigkeiten von schweren Kämpfen in Leinster erhalten zu haben, die zum Tod Jean D’Earleys und der Gefangennahme der schwangeren Countess Isabelle und der restlichen Marshal-Kinder geführt hätten.
Hugh starrte seinen Vater ungläubig an.
»Das kann doch unmöglich der Wahrheit entsprechen! Träfe es zu, befände sich das ganze Land in Aufruhr, und Longespee hätte uns selbst geschrieben, statt das Ralph zu überlassen.«
»Seit dieser König an der Macht ist, weiß ich gar nichts mehr«, erwiderte Roger schroff. »Man kann nichts glauben, was er sagt und tut. Wenn der Marschall gestürzt wird …« Er brachte den Satz nicht zu Ende, sondern schüttelte den Kopf und fuhr, wie um sich selbst zu überzeugen, fort: »So weit wird es nicht kommen. Bislang handelt es sich bloß um Gerüchte, und wir wissen, wie gerne John Männer unnötig in Angst und Schrecken versetzt.«
»Aber es dürfte stimmen, dass er FitzHenry nach Irland zurückgeschickt hat.«
»Ja, aber Ralph schreibt, FitzHenry sei erst vierzehn Tage fort. Die Zeitspanne ist zu kurz, als dass dies passiert sein und die Nachricht davon schon hier angelangt sein könnte. Ich vermute, der König stiftet wieder einmal Unheil, weil es einfach in seinem Naturell liegt.« Roger schlang seinen pelzgefütterten Umhang enger um sich, weil eine weitere Windbö die Läden
erzittern ließ. »Wenn wir am Hof sind, werden wir herausfinden, wie die Dinge wirklich stehen.«
»Sollen wir es Mahelt sagen?«
Sein Vater überlegte kurz, dann schüttelte er den
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