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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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fragte mich, wie es sich anfühlen würde, wenn man sich so bewegen könnte wie dieses Tier, elegant und schnell.
    »Die alten Legenden stimmen also«, sagte ich keuchend.
    »Die meisten.«
    Wir gingen weiter, bis meine Füße wehtaten. Ich sah noch mehr Vögel, sie saßen auf Stangen und Gebäuden. Hier und da lagen verrostete Metallhaufen herum. Bleich erzählte mir, dass sie »Autos« genannt wurden und der Weg, auf dem wir gingen, extra für sie gemacht worden war. Ich konnte das nicht recht glauben. Pflanzen hatten sich von unten durch den Weg gebohrt, machten ihn wellig und ließen die Oberfläche moosig aussehen.
    Als wir endlich ein Gebäude fanden, das nicht fürchterlich stank oder von einer der Gangs markiert war, wurde der
Himmel bereits heller. Bleich rüttelte an der Tür, aber sie war verschlossen.
    »Vielleicht gibt es einen anderen Weg hinein?«
    Wir gingen um das Gebäude herum und fanden auf seiner Rückseite etwas, das Bleich »Fenster« nannte. Es war nahe genug am Boden, dass ich hindurchklettern konnte, aber für Bleich war die Öffnung zu klein. Mit einem Winken schob ich seine Bedenken beiseite.
    »Ich bin eine Jägerin«, sagte ich aus reiner Gewohnheit. »Mir wird nichts passieren.«
    Und dann packte mich wieder die Panik. Ich hatte kein Recht, mich so zu nennen. Ich schluckte meine Scham hinunter und ließ mich von Bleich hochheben. Dann öffnete ich das Fenster und kroch hinein. Ich hing mit dem Kopf nach unten, aber es gelang mir, die Füße unter meinen Körper zu bringen, während ich mich fallen ließ, schlug mir dabei allerdings die Schulter an der Wand an.
    Als ich mich wieder gesammelt hatte, sah ich, dass ich in einem dunklen Raum stand, trotzdem konnte ich die Tür deutlich erkennen. Oben schien selbst die Dunkelheit weniger schwarz zu sein als Unten. Vielleicht hatte es durchaus seine Vorteile, hier zu leben. Ich schlängelte mich an den herumliegenden Trümmern vorbei, an Haufen von zersplittertem Glas und anderen Gegenständen, die zerbrochen oder zu Staub zerfallen waren. Aber es gab auch Objekte, die ich als Esswerkzeuge erkannte, außerdem Flaschen, Teller und Tassen in verschiedenen Farben, manche sogar mit Mustern darauf. Der Worthüter würde wahrscheinlich sterben vor Aufregung, wenn er das hier sehen könnte.
    Nach ein wenig Gefummel gelang es mir, die Bolzen zu
entriegeln. Ich öffnete die Tür und ließ Bleich herein. Er verschloss die Tür hinter sich wieder und sah sich um.
    »Das ist ein Lagerraum. Ich glaube, das muss einmal ein Laden gewesen sein.«
    »Ein Laden?«
    »Hier haben die Leute getauscht.«
    Das klang nach einer sinnvollen Einrichtung. In der Enklave hatten wir auch einen »Laden«. In regelmäßigen Abständen kamen wir dort im Allgemeinbereich zusammen und schauten uns an, was die anderen anzubieten hatten. Dann tauschten wir es gegen irgendeinen Schatz aus unserem Besitz ein. Wenn man jedoch in verschiedenen Gebäuden wohnte, brauchte man so etwas wie das hier, um sich zu treffen und zu tauschen.
    »Sehen wir uns mal um.«
    Ich ging voraus durch einen dunklen Gang, der in einen noch größeren Raum führte. Metallregale – ein paar von dieser Art hatten wir auch Unten im Lauf der Jahre zusammengetragen – standen herum, die meisten davon leer. Es gab nur ein paar Dosen, jedoch keine, die ich kannte oder jemals zuvor gesehen hatte. Glassplitter knirschten unter unseren Füßen. Hinter einer weiteren Tür war ein Waschraum, der aber nicht so stank wie der andere. Bleich probierte den Griff an einer weiteren Tür, jedoch ohne Erfolg.
    »Manchmal haben wir hier Wasser gefunden«, sagte er. »Das tranken wir dann immer, mein Dad und ich, aber dann wurde er krank.«
    »Von dem Wasser?«
    »Vielleicht. Ich war noch ein Balg. Es gab vieles, von dem er mir nichts erzählt hat.«

    »Ich hab noch ein bisschen Wasser. Dreh dich um.« Er tat es, ohne zu fragen, und ich zog den ledernen Umhängegürtel unter meinem Hemd hervor. »Das hat mir Zwirn gegeben. Es sind Wasserbeutel dran. Das Fleisch ist schon alle, aber in den Wasserbeuteln ist noch was drin.«
    »Warum? Damit hat er Kopf und Kragen riskiert.«
    »Ich weiß.«
    »Ich wünschte, ich könnte ihm danken.«
    »Das habe ich schon getan, für uns beide. Wollen mal sehen, was es hier sonst noch so gibt.«
    Wir fanden noch eine weitere Tür in dem Gang, der von dem hinteren Raum wegführte. Beim ersten Mal hatte ich sie nicht gesehen, weil ich nicht an derart verzweigte Tunnel gewohnt war. Bleich öffnete

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