Die Entdeckung der Erde
ausstrecken.« Nachdem Jacques Cartier an dieser Stelle ein großes Kreuz errichtet, erhielt er die Zustimmung des Häuptlings der Wilden, zwei Kinder mitzunehmen, die er bei der nächsten Reise wiederzubringen versprach. Dann steuerte er den Kurs nach Frankreich und lief am 5. September 1534 in St. Malo ein.
Im folgenden Jahre verließ Cartier am 19. Mai Saint-Malo an der Spitze eines bewaffneten Geschwaders von drei Fahrzeugen, welche die »Grande«, die »Petite Hermine« und die »Emerillon« hießen, auf welchen sich auch mehrere gebildete Edelleute mit eingeschifft hatten, von denen wenigstens Charles de la Pomineraye und Claude de Pont-Briant, Sohn des Freiherrn von Moncevelles und Mundschenk des Dauphins, besonders erwähnt zu werden verdienen. Gleich zu Anfang ward das Geschwader zerstreut und konnte sich erst bei Neufundland wieder zusammenfinden. Nachdem er an der Insel der Vögel und im Hafen Blanc-Sablon an der Bai des Chateaux gelandet war, fuhr Cartier nochmals in die Mündung des San-Lorenzo ein. Hierin entdeckte er die Insel Nasticotex, welche wir Anticoste nennen, und segelte in einen großen Fluß, Namens Hochelaga, der nach Canada führt. An den Ufern dieses Flusses liegt das Gebiet von Saguenay, woher das rothe Kupfer stammt, das die beiden bei der ersten Reise mitgenommenen Wilden Caquetdaze nannten. Bevor er jedoch den San-Lorenzo selbst weiter hinaussegelte, wollte er den ganzen Golf eingehender in Augenschein nehmen, um sich Gewißheit darüber zu verschaffen, ob er nicht eine Passage nach Norden zu böte. Darauf kehrte er nach der Bai der Sieben Inseln zurück, fuhr in den Fluß ein und erreichte bald das Ufer des Saguenay, der sich von Norden her in den San-Lorenzo ergießt. Als er etwas weiter hin an vierzehn Inseln vorübergekommen war, gelangte er nach dem Gebiete von Canada, das vor ihm noch kein Reisender besucht hatte. Am nächsten Tage schon kam der Beherrscher von Canada, Namens Donnaconna, mit zwölf Barken und begleitet von sechzehn Leuten in die Nähe der Schiffe. Er begann zuerst vor dem kleinsten derselben eine lange Rede oder Predigt, wie sie hier Sitte sein mochte, wobei er den Rumpf und die Gliedmaßen wahrhaft wunderbar verrenkte, was ein Ausdruck der Freude und Befriedigung sein sollte. Als er an das Schiff des Anführers gekommen war, auf dem sich auch die beiden aus Frankreich mit zurückgekehrten Indianer befanden, sprach der Fürst auf sie und sie wieder auf ihn. Sie begannen zu erzählen, was sie in Frankreich gesehen, und lobten die gute, ihnen zu Theil gewordene Behandlung, worüber sich der Fürst ausnehmend freute und den Kapitän bat, ihm seine Arme zu geben, um diese zu küssen und an sich zu drücken, wodurch man in genanntem Lande seiner Zärtlichkeit Ausdruck verleiht. Der Boden von Stadacone oder St Charles ist fruchtbar und voller schöner Bäume, etwa von denselben Arten, wie die in Frankreich, z.B. Eichen, Ulmen, Pflaumenbäume, Taxus, Cedern, Weinstöcke und Hagedorn, welche Früchte tragen, so groß wie Reine-Clauden, und noch andere Bäume, unter denen ein ebenso schöner Hanf wächst wie in Frankreich. Mit den Barken und der Gallion gelangte Cartier endlich bis zu der Stelle, an der das heutige Richelieu liegt, ferner nach einem von dem Strome gebildeten großen See, den See Saint-Pierre, und endlich nach Hochelaga oder Montreal, d. h. bis in eine Entfernung von zweihundert Meilen von der Mündung des San-Lorenzo. Hier fand man »bearbeitete Ländereien und viel herrliche, mit einheimischem Weizen bestandene Felder, der der Hirse von Brasilien ähnlich und ebenso groß, wenn nicht größer wie Erbsen ist, von dem die Bewohner ebenso leben, wie wir von unserem Getreide. Mitten in diesen Feldern liegt die schon genannte Stadt Hochelaga neben und an einem sie völlig umschließenden Hügel, der trefflich angebaut, und zwar nicht hoch ist, aber doch eine sehr ausgedehnte Fernsicht bietet. Wir tauften diesen Berg Mont-Royal«.
Der Empfang, den Jacques Cartier fand, gestaltete sich so herzlich wie möglich. Der Häuptling oder Aguhama, der an allen Gliedern gelähmt war, bat den Kapitän, ihn zu berühren, als erwarte er davon eine Heilung seines Gebrechens. Ferner drängten sich Blinde, Einäugige, Lahme und Geschwächte in Jacques Cartier’s Nähe, um sich von ihm anrühren zu lassen, als glaubten sie, in ihm sei ein Gott herabgekommen, der sie müsse heilen können. »Als der Kapitän die Frömmigkeit und Gläubigkeit des Volkes sah, las er das
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