Die Entdeckung der Erde
Teufels, während sie Andere Glauben zu machen suchen, sie vermöchten das durch ihre Frömmigkeit und durch die Hilfe Gottes. Uebrigens verfahren diese Leute in folgender Weise: Wenn ein Mensch zum Tode verurtheilt und hingerichtet worden ist, nehmen sie ihn für sich in Anspruch, kochen ihn und essen ihn auf; wäre er eines natürlichen Todes gestorben, so würden sie sich hüten, es zu thun. Nun vernehmt auch, daß die Leute, von denen ich rede, und welche so viel Zaubereien verstehen, folgendes Wunder zu Stande bringen, das ich hier mittheilen will: Wenn der Groß-Khan im Hauptsaale an dem Tische sitzt, der gut über acht Ellen lang ist, und man die Trinkgefäße wenigstens zehn Schritte von dem Tische entfernt auf den Fußboden gestellt hat, welche Gefäße alle mit Wein, Milch oder anderen kostbaren Getränken gefüllt sind, so bringen es diese gelehrten Zauberer durch ihre Künste und Beschwörungen dahin, daß jene vollen Kufen sich von selbst erheben und vor den Groß-Khan aufstellen, ohne daß sie ein Mensch berührt; sie führen das auch vor tausend Zuschauern aus, und Alles ist die reine Wahrheit und sicher keine Lüge; übrigens werden Euch die der Nekromantie Kundigen sagen können, wie das zugeht.«
Marco Polo liefert im Weiteren eine Geschichte Kublaï-Khans, der der mächtigste unter allen Menschen ist und mehr Länder und Schätze besitzt als jemals ein Anderer seit Adam, unserem Stammvater Er erzählt, wie der Groß-Khan, der damals im Alter von achtzig Jahren stand und ein Mann von mittlerer Größe, ziemlich beleibt, doch im Ganzen wohlgestaltet, mit weiß und rothem Gesicht und schönen schwarzen Augen war, im Jahre 1256 nach Christi Geburt den Thron bestieg. Er war ein guter Anführer im Kriege und bewies das vorzüglich, als sein Onkel Naïan, der sich empört hatte, ihm an der Spitze von 400.000 Reitern die Regierung zu entreißen versuchte. Kublaï-Khan versammelte »in der Stille« 360.000 Mann zu Pferde nebst 100.000 Mann Fußvolk und zog gegen seinen Oheim zu Felde. Es kam zu einer entsetzlichen Schlacht. »In derselben fielen so viele Menschen, daß es ein wahres Wunder war.« Doch Kublaï-Khan blieb dabei Sieger, und Naïan, der, in seiner Eigenschaft als Prinz von königlichem Geblüt, lebend in einen engen Teppich eingenäht wurde, starb so eines grausamen Todes.
Nach dem Siege kehrte der Kaiser im Triumph in seine Hauptstadt von Chatay zurück, welche damals Chamba-luc hieß und nach und nach zur heutigen Stadt Peking geworden ist. In letzterer angelangt, mußte Marco Polo daselbst ziemlich lange verweilen, bis er mit verschiedenen Missionen im Innern des Reiches betraut wurde. In Chamba-luc erhebt sich der prächtige Palast des Kaisers, von dem der Reisende folgende Beschreibung liefert, die wir nach dem Texte von Charton wiedergeben und welche wenigstens annähernd eine Vorstellung von den Reichthümern jener Mongolenherrscher erweckt.
»Vor dem Palaste befindet sich eine viereckige Mauer, deren jede Seite eine Meile lang ist, was also vier Meilen Umfang ergiebt; sie ist gewaltig groß, gut zehn Fuß hoch, ganz weiß und mit Zinnen versehen. In jeder Ecke der Mauer steht ein sehr schöner, reicher Palast, in welchen die Rüstungen des Groß-Khans aufbewahrt werden, seine Bogen, Köcher, die Sättel und Zäume der Pferde, die Bogensehnen und überhaupt Alles, was zum Kriege gebraucht wird; denkt man sich den großen Raum in vier Abtheilungen geschieden, so steht in der Mitte jeder derselben wiederum ein Palast, ähnlich denen in den Ecken, so daß es also acht im Ganzen ergiebt, welch’ letztere mit den Rüstungen des Groß-Herrn gefüllt sind, so daß sich in jedem eine besondere Art befindet, in dem einen die Bogen, in dem nächsten die Sättel u.s.w. Die Südseite der Mauer ist von fünf Thoren durchbrochen, deren mittelstes sich nur öffnet, um den Groß-Khan ein-oder hinauszulassen; zwei kleinere auf jeder Seite desselben sind für andere Passanten bestimmt. Im Innern dieser Mauer ist noch ein besonderer Raum, wiederum durch eine mehr lange als breite Mauer abgeschlossen, in welcher noch einmal acht Paläste stehen, ebenfalls nur Magazine für das Rüstzeug des Groß-Herrn.«
Man erkennt, daß alle bisher aufgezählten Paläste nur die Pferdeausrüstungen und Waffensammlungen des Kaisers enthalten. Man wird über diese große Anzahl Rüstungen weniger erstaunen, wenn man erfährt, daß der Groß-Khan eine besondere Race schöner, weißer Pferde allein besaß, und darunter
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