Die Entdeckung der Erde
alle Reichsbarone und andere Anwesende ehrerbietig auf die Kniee.
Die bedeutendsten Feste giebt der Groß-Khan, das eine an seinem Geburtstage und das andere stets zu Neujahr. Bei dem ersten fungiren 12.000 Barone, denen der Kaiser jährlich 150.000 mit Gold und Perlen verzierte Kleider zum Geschenk macht, an seinem Throne, während die heidnischen und christlichen Unterthanen öffentliche Gebete verrichten. Beim zweiten Feste, zu Anfang des neuen Jahres, kleidet sich die ganze Bevölkerung, Männer und Weiber, durchaus weiß, weil die weiße Farbe alten Ueberlieferungen zufolge Glück bringt, und Jedermann bietet dem Souverän Geschenke von hohem Werthe an. Hunderttausend reichgeschirrte Rosse, fünftausend mit herrlichen Tüchern bedeckte Elephanten, welche den kaiserlichen Thronsessel tragen, und eine große Anzahl Kameele defiliren dabei vor dem Kaiser.
Während der drei Monate December, Januar und Februar, die der Groß-Khan in seiner Winterresidenz zubringt, sind alle Großen im Umkreise von sechzig Tagereisen verpflichtet, ihm Hirsche, Damwild, Ziegen und Bären zu liefern.
Der Palast des Kaisers zu Peking (S. 76.)
Uebrigens ist Kublaï auch selbst ein fertiger Jäger und seine Jagdmeute sehr gut im Stande. Er besitzt Leoparden, Wolfshirsche und sogar abgerichtete Löwen, um das Wild einzufangen, sehr große und starke Adler, welche Wölfe, Füchse, Damhirsche und Ziegen zu fangen vermögen »und es wirklich auch oft thun«, endlich Hunde gleich zu Tausenden. Mit dem Monat März beginnt der Kaiser seine großen Jagden, wozu er sich nach dem Meere begiebt; dabei begleiten ihn nicht weniger als 10.000 Falkoniere mit 500 Geierfalken, einer unzählbaren Menge von Habichten, Wanderfalken und heiligen Falken. Während dieser Ausflüge begleitet ein tragbarer, auf vier Elephanten errichteter Palast, dessen Außenwände mit Bärenfellen, die Innenseite mit golddurchwirktem Tuch bekleidet ist, den tatarischen König, der sich in solchem orientalischen Pompe gefällt. So begiebt er sich bis zum Lager von Chachiri-Mondu, an einem Nebenflusse des Amur, und schlägt hier sein Zelt auf, das groß genug ist, um 10.000 Reiter zu beherbergen. Dasselbe bildet seinen Empfangssaal und hier ertheilt er auch wirklich Audienzen. Will er sich zurückziehen oder des Schlummers pflegen, so steht ihm in einem anderen Zelte ein mit Hermelin und Zobelfellen verzierter Saal zur Verfügung, von welchen Fellen jedes 2000 Goldmünzen, d. h. etwa 20.000 Francs von unserer Münze werthet. Hier wohnt der Kaiser bis Ostern, jagt Schweine, Hafen, Damwild und Ziegen und kehrt dann nach seiner Hauptstadt Cambaluc zurück.«
Marco Polo vervollständigt hier auch die Beschreibung dieser prächtigen Stadt. Er zählt die zwölf Quartiere, welche sie zusammensetzen, auf, in denen die reichen Kaufleute sich herrliche Paläste errichtet haben, denn diese Stadt treibt außerordentlich lebhaften Handel.
Plan von Peking. (S. 78.)
Hierher strömen mehr kostbare Waaren zusammen, als nach irgend einem Punkte der Welt. Wenigstens tausend mit Seide beladene Wagen treffen täglich daselbst ein. Hier ist der Lagerplatz und Markt für die reichsten Erzeugnisse Indiens, z.B. Perlen und Edelsteine, und man kommt hierher zum Zweck des Einkaufs wohl aus zweihundert Meilen in der Runde. Für die Bedürfnisse des Handels hat der Groß-Khan auch eine Münze errichten lassen, welche für ihn eine unerschöpfliche Quelle von Reichthümern ist. Freilich besteht das hier angefertigte Geld – wirkliche Banknoten mit dem Siegelabdruck des Herrschers – aus einer Art von der Rinde des Maulbeerbaumes hergestelltem Carton. Dieses steife Papier wird je nach dem ihm beigelegten Werthe in verschiedener Weise zerschnitten. Natürlich hat diese Münze Zwangskurs. Der Kaiser verwendet sie selbst bei allen Zahlungen seinerseits und sucht sie in allen, seiner Gewalt unterworfenen Ländern zu verbreiten, »so daß Niemand bei Verlust des Lebens deren Annahme verweigern darf«. Mehrmals im Jahre sind die Besitzer von Edelsteinen, Perlen, Gold und Silber verpflichtet, ihre Schätze im Hôtel der Münze abzuliefern, woselbst sie die obenerwähnten Papierstücke als Zahlung empfangen, so daß der Kaiser also alle Schätze seines Landes thatsächlich allein besitzt.
Nach Marco Polo beruht das System der kaiserlichen Regierung auf einer streng durchgeführten Centralisation. »Das in vierunddreißig Provinzen getheilte Reich wird von zehn obersten Baronen verwaltet,
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