Die Entdeckung der Erde
nahe kommen; die Reisenden entzünden also dieses Feuer, nm ihre eigenen Nutzthiere gegen die in dem Lande sehr zahlreichen Raubthiere zu schützen. Der erwähnte Höllenlärm entsteht aber auf folgende Art und Weise: Man bricht jene Rohrstengel völlig grün und legt mehrere derselben in ein Holzfeuer; nach einiger Zeit ziehen sich dieselben krumm und springen dabei mit einem solchen Geräusch auf, daß es in der Nacht wohl auf zehn Meilen im Umkreise hörbar ist. So lang man sich noch nicht selbst daran gewöhnte, ist man ganz erstaunt darüber, so entsetzlich ist es anzuhören; Pferde z.B., die es noch niemals hörten, erschrecken so sehr, daß sie Stricke und Halfter zerreißen und entfliehen, was nicht gar so selten vorkommt: weiß man aber vorher, daß sie gegen jenes Geräusch noch nicht »abgehärtet« sind, so verdeckt man ihnen die Augen und fesselt alle vier Beine, so daß sie, wenn jener Höllenlärm anhebt, nicht davonlaufen können. Auf diese Weise entgehen die Menschen nebst ihren Thieren den gefährlichen Bestien, von denen es in diesem Lande wimmelt.« Das von Marco Polo beschriebene Verfahren wird noch jetzt in Bambus erzeugenden Gegenden angewendet, und in der That gleicht das Knacken und Knattern der vom Feuer verzehrten Rohrstengel dem heftigsten Raketenknallen bei einem Kunstfeuerwerke.
Nach dem Berichte des venetianischen Reisenden ist Thibet eine sehr große Provinz mit eigener Sprache, deren götzendienerische Bewohner als gefürchtete Diebe gelten. Ein sehr bedeutender Strom mit goldführendem Sande, der Khin-cha-kiang, durchzieht dieselbe. In ihm fischt man auch eine große Menge Korallen, welche für Götzenbilder und als Frauenschmuck vielfache Verwendung finden. Thibet stand damals übrigens unter der Herrschaft des Groß-Khans.
Von Sandifu aus hatte Marco Polo eine westliche Richtung eingeschlagen. Er kam auf diesem Wege durch das Königreich Gaindu und wahrscheinlich nach Li-kiang-fu, der Hauptstadt jener Landschaft, welche heute das Gebiet von Si-mong darstellt. In genannter Provinz besuchte er einen herrlichen See, welcher Perlenmuscheln enthielt, deren Ausbeutung aber allein dem Kaiser vorbehalten war. Das Land hat Ueberfluß an Gewürznelken, Ingwer, Zimmet und anderen geschätzten Gewürzen.
Nach seinem Aufbruche aus Gaindu und nach Ueberschreitung eines großen Stromes, vielleicht des Irrauadi, drang Marco Polo, der sich nun genau nach Südosten wendete, in die Provinz Carajan ein, ein Gebiet, das wahrscheinlich den nordwestlichen Theil von Yun-nau bildet. Seiner Aussage nach sollen die Bewohner derselben, welche fast Alle beritten sind, das rohe Fleisch, der Hühner, Schafe, Büffel und Ochsen verzehren; diese Ernährungsweise träfe man ganz allgemein an, wobei höchstens die Reichen das rohe Fleisch ein wenig durch Knoblauchbrühe oder Zusatz von Gewürzen schmackhafter zu machen suchten. In diesem Lande gab es auch eine Menge großer Nattern und schrecklich anzuschauender Schlangen. Die betreffenden Reptilien – jedenfalls handelt es sich um Alligatoren – waren gegen zehn Schritte lang; sie besaßen zwei mit einer Kralle bewehrte Füße dicht hinter dem Hopfe, welcher selbst übermäßig groß war, so daß die Thiere einen Mann mit einem Male zu verschlingen vermochten.
Fünf Tagereisen westlich von Carajan, von welchem Punkte sich Marco Polo wieder nach Süden wendete, betrat er die Provinz Zadardan, deren Hauptstadt Nocian die heutige Stadt Yung-chang darstellt. Alle Bewohner derselben hatten goldene Zähne, d.h. es herrschte damals die Mode, die Zähne mit dünnen Goldplättchen zu belegen, welche abgenommen wurden, wenn man essen wollte. Die Männer in dieser Provinz, welche stets zu reiten pflegen, betreiben nur »Vogelsang, Jagd und Krieg«; die beschwerlicheren Arbeiten fallen den Frauen oder den Sklaven zu. Die Zadarnienser haben weder Götzenbilder noch Kirchen, sondern verehren nur den Aeltesten der Familie, gleichsam als Patriarchen. Aerzte giebt es bei ihnen ebenfalls nicht; an deren Stelle bedienen sie sich der Zauberer, welche vor einem Kranken so lange springen, tanzen und gewisse Instrumente spielen, bis derselbe entweder stirbt oder wieder gesundet.
Von der Provinz der Menschen mit den Goldzähnen aus folgte Marco Polo zwei Tage lang der Landstraße, welche für den Verkehr zwischen Indien und Indo-China dient, und kam dabei durch Bama, wo dreimal wöchentlich ein bedeutender Markt abgehalten wird, der Kaufleute selbst aus den fernsten Ländern
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