Die Entdeckung der Erde
Landschaft von Makran und die letzte Landschaft Indiens zwischen dem Abendlande und dem Norden, dann aber begab sich Marco Polo, statt geraden Weges nach Persien, wo ihn der Verlobte der tatarischen Prinzessin erwartete, nach Westen durch das weite Meer von Oman.
Seine unersättliche Reiselust führte ihn so gegen 500 Meilen weit an der Küste Arabiens hin, wo er bei den Inseln Mâle und Femmelle (Männchen und Weibchen) vor Anker ging, welche Inseln ihren Namen davon haben, daß die eine derselben ausschließlich von Männern, die andere von deren Frauen bewohnt wird, welche jene nur während der Monate März, April und Mai besuchen. Von diesen Eilanden aus segelte die Flottille unter südlichem Kurs nach der Insel Socotora, am Eingange des Golfes von Aden, von der Marco Polo verschiedene Theile in Augenschein nahm. Er schildert die Bewohner Socotoras als geschickte Zauberer, welche durch ihre Künste Alles auszuführen vermögen und selbst den Orkanen und Stürmen gebieten. Dann ging er noch tausend Meilen weiter nach Süden und führte die Flotte bis zum Gestade Madagascars.
Den Augen unseres Reisenden erscheint Madagascar als eine der größten und vornehmsten Inseln der Welt. Ihre Bewohner sind meist mit dem Handel beschäftigt und exportiren vorzüglich Elephantenzähne. Sie ernähren sich vor Allem mit Kameelfleisch, das besser und zuträglicher sein soll als jedes andere Fleisch. Die von der Küste Indiens hierher kommenden Kaufleute brauchen meist nur zwanzig Tage zur Fahrt über das Meer von Oman, zur Rückreise freilich drei Monate, da die ungünstigen Meeresströmungen die Schiffe immer nach Süden zurückdrängen. Trotzdem gehen sie gern nach dieser Insel, welche ihnen auch Santelholz aus den daselbst befindlichen Wäldern, und Ambra liefert, den sie mit großem Nutzen gegen Gold-und Seidenstoffe eintauschen. Daneben fehlt es diesem Reiche aber auch nicht au Raubthieren und Jagdwild; nach Marco Polo trifft man Leoparden, Bären, Hirsche, Eber, Giraffen, wilde Esel und andere Thiere oft in zahlreichen Rudeln an; am wunderbarsten erschien ihm jedoch der sogenannte Greif, der »Roc«, von dem in »Tausend und eine Nacht« so viel die Rede ist, den man sich aber, entgegen der allgemeinen Annahme, nicht als ein Geschöpf vorstellen darf, das halb Löwe, halb Vogel und dazu im Stande wäre, einen Elephanten in seinen Krallen fortzutragen. Der in Rede stehende merkwürdige Vogel war jedenfalls der
Epyornis maximus
, von dem man noch jetzt zuweilen auf Madagascar Eier findet.
Von dieser Insel aus besuchte Marco Polo, nach Nordwesten hinaussegelnd, Zanzibar und die afrikanische Küste. Hier erschienen ihm die Einwohner ungewöhnlich groß und so stark, daß sie die Last von vier Männern tragen konnten, »was aber deshalb nicht zu verwundern ist, weil sie auch für fünf Mann essen«. Die Eingebornen waren schwarz von Farbe und gingen völlig nackt; sie hatten einen großen Mund, eingedrückte Nase, wulstige Lippen und hervortretende Augen – eine ganz richtige Beschreibung, welche noch heute für die Eingebornen dieses Theiles von Afrika zutrifft. Diese Afrikaner leben von Reis, Fleisch, Milch und Datteln und bereiten sich ein geistiges Getränk aus Reis, Zucker und Gewürzen. Sie sind tüchtige, todesmuthige Kriegsleute und fechten auf Kameelen oder Elephanten, wobei ihnen ein lederner Schild, ein Säbel und eine Lanze als Waffen dienen, während sie ihre Reitthiere selbst durch berauschende Getränke reizen.
Zur Zeit Marco Polo’s zerfiel nach Charton das unter dem Namen Indien zusammengefaßte Gebiet in drei Abtheilungen: Groß-Indien, d. i.
Hindostan und alles Land zwischen Ganges und Indus; Klein-Indien, die Landstriche jenseits des Ganges, welche sich von der Westküste der Halbinsel bis zur Küste Cochinchinas ausdehnen; endlich Mittel-Indien oder Abyssinien und das arabische Küstengebiet bis zum Persischen Golfe.
Als er Zanzibar verließ, untersuchte Marco Polo also bei seiner Fahrt nach Norden das Gestade jenes Mittel-Indiens, und zwar zuerst Abasiens oder Abyssiniens, wo man sehr geschätzte Baumwollen-und Schetterstoffe erzeugt und das als ein sehr reiches Land gilt. Dann begab sich die Flotte nach dem Hafen von Zeita, fast am Eingange der Straße Bab-el-Mandeb, und endlich erreichte sie längs des Ufers von Yemen und Hadramaut auch Aden, den von allen, mit Indien und China verkehrenden Schiffen besuchten Hafenplatz, ferner Escier, eine große Stadt, welche große Mengen ausgezeichneter
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