Die Entdeckung der Erde
wahrscheinlich gegen 1280, als er mit einer Mission des Kaisers betraut war. Zu jener Zeit stand Cianba unter der Gewalt des Groß Khans und Tribut. Als Marco Polo noch vor der Eroberung durch dasselbe kam, hatte dessen regierender König nicht weniger als 326 Kinder, davon 150 in waffenfähigem Alter.
Kublaï-Khan ließ eine Flotte ausrüsten. (S. 96.)
Von der cambodjianischen Halbinsel aus wandte sich die Flotte nach der kleinen Insel Java, deren sich Kublaï-Khan niemals zu bemächtigen vermochte, eine Insel, welche große Bodenreichthümer besitzt und Pfeffer, Muscatnüsse, Cubeben, Nelken und andere kostbare Gewürze in Menge hervorbringt. Nach einigem Aufenthalte in Condor und Sandur, an der untersten Spitze der cochinchinesischen Halbinsel, erreichte Marco Polo die Insel Pentam (Bintang) am östlichen Eingange der Meerenge von Malacca, und die Insel Sumatra, die er Klein-Java nennt. »Die Insel, sagt er, liegt so weit im Süden, daß man hier den Polarstern niemals sieht«, – was freilich nur für die Bewohner des südlichen Theiles derselben zutrifft. Sie hat sehr fruchtbaren Boden, auf dem z.B. das Aloëholz vortrefflich gedeiht; man trifft hier wilde Elephanten, Rhinocerosse, welche Marco Polo als Einhörner bezeichnet, und in zahlreichen Gesellschaften wandernde Affen. Durch schlechtes Wetter wurde die Flotte in dieser Gegend fünf Monate lang zurückgehalten und verwendete unser Reisender diese Zeit, um die Hauptprovinzen dieser Insel kennen zu lernen, unter Anderen Samara, Dagraian, Labrin, wo man viele Menschen mit Schwänzen – also offenbar Affen – findet, und Fandur, d. i. die Insel Panchor, mit unzähligen Sagopalmen, aus denen man ein zur Herstellung vorzüglichen Brotes dienendes Mehl gewinnt.
Endlich gestattete die Richtung des Windes den Schiffen, von Klein-Java auszulaufen. Nach flüchtiger Berührung der Insel Necaran, jeden falls eine der Nikobaren, und der Andaman-Gruppe, deren Eingeborne noch heute, wie zu Marco Polo’s Zeiten, Anthropophagen sind, steuerte die Flotte gen Südwesten und ging an der Küste von Ceylon vor Anker. »Diese Insel, so lautet der Bericht, war einst weit größer, denn sie maß, wie man aus den Seekarten der einheimischen Lootsen ersehen konnte, früher 3600 Quadratmeilen; nun weht aber hier der Nordwind mit solcher Gewalt, daß er einen großen Theil der Insel unter Wasser gesetzt hat« – eine Ueberlieferung, welche sich übrigens noch heute unter den Bewohnern Ceylons forterbt. Auf dieser Insel findet man in Ueberfluß die »vornehmen und schönen« Rubinen, Saphire, Topase, Amethyste und andere kostbare Steine, wie Granaten, Opale, Agate und Sardonix. Der König des Landes besaß damals einen handgroßen und armdicken Rubin vom feurigsten Hochroth, den der Groß-Khan jenem Herrscher vergeblich um den Preis einer ganzen Stadt abzukaufen suchte.
Sechzig Meilen westlich von Ceylon kamen unsere Seefahrer nach der umfänglichen Provinz Maabar (nicht zu verwechseln mit Malabar) an der Westküste der indischen Halbinsel. Dieses Maabar bildet den südlichen Theil der wegen ihrer Perlenfischereien geschätzten Coromandelküste. Hier treiben verschiedene Zauberer ihr Wesen, welche die Seeungeheuer von den Fischern fernhalten, eine Art Astrologen, deren Sippe sich noch bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Marco Polo berichtet hier viele interessante Einzelheiten über die Sitten der Eingebornen, die Feierlichkeiten beim Tode eines Königs, zu dessen Ehre sich mehrere Große des Landes dem Feuertode weihen, über die häufigen religiösen Selbstmorde, den Opfertod der Witwen, den sie nach des Gatten Ableben auf dem Scheiterhaufen suchen, über die zweimaligen täglichen, von der Religion vorgeschriebenen Waschungen, die Naturanlage der Bewohner, gute Physiognomiker zu werden, und über den festgewurzelten Glauben derselben an ihre Astrologen und Zauberer.
Nachdem er an der Coromandelküste gerastet, hielt Marco Polo einen nördlichen Kurs ein bis zum Königreiche Muftili, dessen Hauptstadt die heutige Stadt Masulipatam, der Hauptort des Königsreiches Golkonda, ist. Dieses Reich stand unter der weisen Regierung einer seit vierzig Jahren verwitweten Königin, welche dem Andenken ihres Gatten eine unverbrüchliche Treue bewahrte. In den benachbarten, leider wegen vieler Schlangen sehr gefährlichen Gebirgen beutete man einträgliche Diamantengruben aus. Um die kostbaren Steine zu gewinnen, ohne sich dem Angriffe der Reptilien auszusetzen, haben die
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