Die Entdeckung der Erde
offenem Meere wurde aber das von ihm benutzte Fahrzeug von Seeräubern weggenommen und geplündert, so daß Ibn Batuta gänzlich beraubt, fast nackt und zum äußersten erschöpft in Calicut anlangte. Kein Unglück aber vermochte seinen Muth zu brechen. Er gehörte zu jener Art der großen Reisenden, die das Mißgeschick nur stählt. Sobald die Freigebigkeit reicher Kaufleute ihn in den Stand gesetzt hatte, den Wanderstab zu ergreifen, ging er von Neuem nach den Malediven unter Segel und begab sich dann nach Bengalen, dessen natürliche Reichthümer seine Bewunderung erregten, schiffte sich darauf nach Sumatra ein, rastete nach fünfzigtägigen Fahrt unter abscheulichem Wetter auf einer Insel der Nikobaren-Gruppe im Golfe von Bengalen und erreichte endlich nach weiteren fünfzehn Tagen Sumatra, dessen König ihn mit großer Auszeichnung empfing, wie er es übrigens allen Mohammedanern gegenüber zu thun pflegte. Ibn Batuta aber zählte nicht zu den gewöhnlichen Menschen; er gefiel auch dem Herrscher der Insel so ausnehmend, daß dieser ihm die Mittel gewährte, nach China zurückzukehren.
Eine Tjonke trug den Reisenden über das »Stille Meer«, und zwölf Tage nach der Abreise von Sumatra legte er glücklich im Hafen von Kailuka, der Hauptstadt eines sehr räthselhaften Landes an, dessen wohlgestaltete und muthige Bewohner sich im Kriegshandwerk auszeichneten. Von Kailuka aus kam Ibn Batuta nach den chinesischen Provinzen und besuchte zuerst die prächtige Stadt Zaitem, wahrscheinlich das Tsuen-cheu der Chinesen, das ein wenig nördlich von Nan-king liegt. Er durchstreifte verschiedene Gegenden des großen Reiches, studirte die vielen Sitten der Völkerschaften, deren Reichthümer, Industrie und Civilisation sein Erstaunen erregten, gelangte aber nicht bis zur großen Mauer, welche er »Gog’s und Magog’s Hinderniß« nannte. Während dieser Kreuz und Querzüge durch das unermeßliche Land verweilte er auch in der Stadt Chensi, welche selbst wieder sechs befestigte Städte umfaßt. Sein Glücksstern fügte es auch so, daß er dem Begräbniß eines Khans beizuwohnen Gelegenheit fand, mit dessen Leiche vier Sklaven, sechs seiner Favoritinnen und vier Pferde gleichzeitig eingescharrt wurden.
Inzwischen brachen in Zaitem Unruhen aus und nöthigten Ibn Batuta, diese Stadt zu verlassen. Der arabische Reisende schiffte sich also nach Sumatra ein und kehrte, während er Calicut und Ormuz berührte, im Jahre 1348 nach Mekka zurück, nachdem er durch ganz Persien und Syrien gezogen war.
Noch hatte die Stunde der Ruhe für diesen unermüdlichen Forscher nicht geschlagen. Im folgenden Jahre sah er Tanger, seine Vaterstadt wieder. Dann begab er sich nach Abstattung eines Besuches in Spanien nach Marokko, drang nach Sudan hinein, durchwanderte die vom Niger bewässerten Länder, zog durch die große Wüste und gelangte bis Timbuktu – eine Reise, welche allein hingereicht hätte, einen minder ehrgeizigen Reisenden berühmt zu machen.
Das sollte seine letzte Expedition sein. Im Jahre 1353, neunundzwanzig Jahre nach seiner ersten Abreise von Tanger, kehrte er nach Marokko zurück und ließ sich in Fez nieder. Ibn Batuta verdient den Ruhm des unerschrockensten Reisenden des 14. Jahrhunderts, und die Nachwelt handelt nicht mehr als gerecht, wenn sie seinen Namen dem Marco Polo’s, des berühmten Venetianers, an die Seite stellt.
Sechstes Capitel.
Johann von Bethencourt.
I.
Der normannische Edelmann. – Seine Eroberungsgedanken. – Was man von den Canarischen Inseln wußte. – Cadix. – Der Archipel der Canarischen Inseln. – Graciosa. – Lancerote. – Fortaventura. – Lobos. – Johann von Bethencourt kehrt nach Spanien zurück. – Berneval’s Aufstand. – Zusammenkunft Johann von Bethencourt’s und König Heinrich’s III. – Gadifer besucht den Archipel der Canarischen Inseln. – Gran-Canaria. – Die Insel Ferro. – Die Palmeninsel.
Etwa im Jahre 1339 wurde in der Grafschaft Eu, in der Normandie, Johann von Bethencourt, Baron von Saint-Martin-le-Gaillard, geboren. Dieser Johann von Bethencourt stammte aus einem guten Hause, und da er sich im Kriege und auf dem Meere ausgezeichnet hatte, erhielt er eine Stelle als Kämmerer Karls VI. Ihn beseelte aber eine große Neigung zu neuen Entdeckungen, und da ihm, vorzüglich als der König in Wahnsinn verfiel, der Dienst am Hofe lästig ward und er sich im eigenen Hause nicht glücklich fühlte, so beschloß er, sein Vaterland zu verlassen und sich durch
Weitere Kostenlose Bücher