Die Entdeckung der Erde
die Küsten Europas diesen amerikanische Seetriften zuführt, so konnte man jenen Funden nur einen rein asiatischen Ursprung zuschreiben. Asien lag demnach aber nicht sehr weit von Europa und die Verbindung zwischen den beiden entgegengesetzten letzten Ausläufern der Alten Welt mußte eine ziemlich leichte sein.
Kein Geograph dachte also an das Vorhandensein einer Neuen Welt; diesen Satz müssen wir unverrückt vor Augen behalten. Auch als man endlich den Weg nach Westen einschlug, bezweckte oder erwartete Niemand eine Erweiterung der geographischen Kenntnisse. Nein; nur Kaufleute als solche traten an die Spitze der Bewegung und für die Ueberschiffung des Atlantischen Oceans ein. Sie dachten nur daran, zu handeln, und suchten zu dem Zwecke nach dem kürzesten Wege.
Hier sei auch des Umstandes erwähnt, daß die der allgemeinen Annahme nach gegen 1302 von einem gewissen Flavio Gioja d’Amalfi erfundene Boussole den Schiffern gestattete, sich von den Küsten zu entfernen und außer Sicht von jedem Lande zu segeln. Außerdem hatten jetzt Martin Behaim und zwei Leibärzte des Königs Heinrich von Portugal, Mittel und Wege gefunden, sich nach der Höhe der Sonne zu orientiren und das Astrolabium (Winkelmesser) dem Dienste der Schifffahrt zugängig gemacht.
Nachdem man diese Unterstützung gewonnen, blieb die handelswichtige Frage des Weges nach Westen in Spanien, Portugal und Italien, Länder, deren Wissenschaften ohnedies zu drei Viertheilen aus Phantasiegebilden bestand, stets auf der Tagesordnung. Man discutirte und schrieb hin und her darüber, die erhitzten Kaufleute brachten auch die Gelehrten in Streit miteinander. Nach und nach wuchs ein ganzer Berg ungeordneter Thatsachen, Systeme und Doctrinen empor. Es ward höchste Zeit, daß ein einziger intelligenter Geist diese zusammenfaßte und sich sozusagen assimilirte. Das sollte denn auch geschehen. Alle jene verstreuten Gedanken sammelten sich in dem Kopfe eines einzigen Mannes, der Ausdauer und Kühnheit in seltenem Maße in sich vereinigte.
Dieser Mann war Christoph Columbus, wahrscheinlich geboren in der Nähe von Genua im Jahre 1436. Wir sagen »wahrscheinlich«, denn außer Savone und Genua nehmen auch die Dorfschaften Cogorea und Nervi die Ehre, als seine Geburtsstätten zu gelten, für sich in Anspruch. Selbst das Geburtsjahr des großen Seehelden schwankt je nach den Commentatoren zwischen 1430 und 1445; doch scheint das Jahr 1436 am besten mit den zuverlässigsten Documenten übereinzustimmen.
Die Familie Christoph Columbus’ lebte nur in ziemlich beschränkten Verhältnissen. Sein Vater Dominique Colombus, Fabrikant von Webstoffen, erfreute sich jedoch eines gewissen Wohlstandes, der es ihm gestattete, seinen Kindern eine etwas bessere Erziehung angedeihen zu lassen. Der junge Columbus ward, als ältester Sprößling der Familie, nach der Universität in Pavia geschickt, um daselbst Grammatik, Latein, Geographie, Astronomie und Schifffahrtskunde zu studiren.
Mit vierzehn Fahren schon vertauschte Christoph Columbus die Schulbank mit einem Schiffsdeck. Die nun folgende Periode seines Lebens bis 1487 ist immer in Dunkel verhüllt geblieben. Wir citiren hier nur den
Ein spanischer Hafen. (S. 148.)
von Charton wiedergegebenen Ausspruch Humboldt’s, der umsomehr bedauert, daß über Columbus eine solche Unsicherheit herrscht, wenn er daran denkt, welche Einzelheiten die Chronisten über das Leben des Hundes Becerillo oder über den Elephanten Abulababat, den Harun-al-Raschid einst Karl dem Großen zum Geschenk machte, der Nachwelt überliefert haben.
Christoph Columbus klopfte an die Pforte eines Klosters. (S. 156.)
Am annehmbarsten erscheint noch mit Bezugnahme auf gewisse Documente jener Zeit und einzelne von Columbus selbst herrührende, allerdings lückenhafte Schriftstücke, daß der junge Reisende die Levante, den Occident, den Norden, zu wiederholten Malen England, ferner Portugal, die Küste von Guinea, die afrikanischen Inseln, vielleicht selbst Grönland besuchte und im Alter von vierzig Jahren »überall gewesen war, wo nur je vor ihm ein Seefahrer hinkam«.
Christoph Columbus hatte sich zum erfahrenen Seemanne ausgebildet. Auf seinen weitverbreiteten Ruf hin vertraute man ihm das Commando der genuesischen Galeeren in dem damaligen Kriege der Republik mit Venedig an. Später leitete der neue Kapitän für den König René von Anjou eine Expedition nach den Küsten des Berberstaates und lief endlich 1‘477 zur
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