Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
bestimmten Typ von Vegetation oder Landschaft repräsentieren. Zu den schützenswerten Biotoptypen (Wuchsorttypen) gehören neben solchen, die ganz weitgehend unter natürlicher Dynamik stehen, auch andere, deren Ausprägung mehr oder weniger stark von Nutzung abhängt, oder ersatzweise einer Formvon Pflege: verschiedene Formen von Heiden, Gebüschen, Trockenrasen, Feuchtwiesen, Glatthaferwiesen und zahlreiche Typen von Wäldern. [162] Diese Biotoptypen werden in der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union als gefährdet aufgeführt.
Sich an diese Richtlinie zu halten hat Vor- und Nachteile. Es ist günstig, dass nicht nur einzelne Arten geschützt werden sollen (was nicht möglich ist), sondern dass von den gesamten Wuchsorten oder Biotopen ausgegangen wird, die zu erhalten sind. Dahinter steht die Erkenntnis, dass nur dann, wenn die Standortsbedingungen einzelner Biotope erhalten werden, auch darin vorkommende Pflanzen- und Tierarten dauerhaft geschützt sein können. Welche Typen von Landschaften man vorrangig schützen soll, wird vorgegeben, unter anderem in Bildern und griffigen, kurzen Erklärungen. Doch darin liegen auch Nachteile und Gefahren des Verfahrens. Werden Typen von Biotopen oder Landschaften geschützt, bedenkt man allein deren typische Ausstattung, nicht aber die kulturelle Einmaligkeit von speziellen Landschaften. Man kann immer wieder beobachten, dass sich die Pflege einer Landschaft am Bild des Typs ausrichtet, mit der Folge, dass nicht nur natürliche Prozesse der Sekundärsukzession unterbunden, sondern auch spezifische Eigenheiten von Landschaften beseitigt oder nivelliert werden, damit das Bild einer konkreten Landschaft auch nur ja genau dem Typ entspricht. Das aber kann nicht Ziel von Schutzbemühungen sein; viel mehr als um den Schutz eines Typs muss es um die Bewahrung einmaliger und besonderer Landschaft gehen.
In jedem Fall ist die Pflege eines Gebietes, um seinen Status quo zu erhalten, erheblich teurer als die Umsetzung eines Naturschutzkonzeptes, bei dem die Entwicklung von Wildnis gefördert wird. Wird aber ein Gebiet sich selbst oder der natürlichen Entwicklung überlassen, mit der Folge, dass sich über eine Sekundärsukzession Wildnis herausbildet, geht ein wie auch immer definierter Charakter von Landschaft verloren. Wo man dafür eintritt, Wildnis sich entwickeln zu lassen, zerstört man den Zustand einer Landschaft mit allen ihren Strukturen auf eine Weise, die alle aufmenschliche Einflüsse zurückgehenden Elemente darin mit der Zeit immer stärker unkenntlich macht.
Auch bei der sogenannten Renaturierung von Gebieten kann Landschaft zerstört werden. Denn dabei wird eine bestehende Landschaft nach ästhetischen oder ökologischen Kriterien künstlich verändert, so dass sie einem, aber keineswegs dem allgemeingültigen Bild von Natur entspricht. Für Eingriffe des Menschen in Gebieten, in denen auf planerischer Grundlage ein Vorrang für «Natur» bestehen soll, wird nach den gesetzlichen Bestimmungen des Naturschutzes die Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme gefordert. Auf diese Weise lässt sich eine ökologische Funktion bewahren; vielleicht kommt es sogar dazu, dass Pflanzen und Tiere, die durch den Eingriff einen Standort verlieren, sich an einem anderen, im Zuge der Ausgleichsmaßnahme geformten Ort ersatzweise wieder einfinden. Doch dabei wird nicht nur diejenige Landschaft massiv verändert, in der ein Eingriff durch Nutzung erfolgt, sondern auch eine zweite Landschaft, die zum Ausgleich für diesen Eingriff «der Natur überlassen» wird. In Wirklichkeit kommt es also auch zu einem erheblichen menschlichen Eingriff auf der Ausgleichsfläche, durch den Landschaft massiv verändert wird, etwa dadurch, dass ehemals eingedeichtes Land durch Öffnung oder Abtrag des Deiches den Gezeiten ausgesetzt wird.
Die kulturelle Bedeutung von Landschaften wird bei Naturschutzbemühungen oft zu wenig beachtet. Die Pflege von Naturschutzgebieten ist teuer, und viele Menschen verstehen nicht, warum es notwendig ist, in einer Landschaft, die man «Naturschutzgebiet» nennt, pflegend einzugreifen, da man doch «in der Natur allein Natur herrschen lassen» sollte. Auch dieses Missverständnis erfordert ständige intensive Aufklärung.
Landschaft ist keineswegs nur die oder eine «Natur des Naturschutzes», und sie lässt sich auch nicht ausschließlich durch rechtliche Regelungen schützen. Landschaft ist nicht nur ein Kompartiment im
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