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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Landschaft auf der Grundlage von ästhetischen bzw. wissenschaftlichen Gesichtspunkten, mit der Intensität einer Infrastruktur oder mit einem Bedürfnis nach Luxus. Wichtig für die Ausprägung der Landschaft sind ferner die Dauer des menschlichen Einflusses und – in Verbindung damit – die Häufigkeit von Sekundärsukzessionen nach Aufgabe von Nutzungen. Über Landnutzungssysteme wirken wirtschaftliche, politische und soziokulturelle Einflüsse stets auf die Ausbildung von Landschaft ein
(Abb. 10–1).
    Mit einer Darstellung der verschiedenen, Landschaft prägenden Landnutzungssysteme lässt sich eine kulturelle Entwicklung deutlich machen, in deren Verlauf zur Jagd der Ackerbau trat, Infrastrukturen und Staaten entstanden, Landschaften neu geplant wurden und die Landnutzung intensiviert und zentralisiert wurde
(Abb. 10–2)
. Von jedem Landnutzungssystem wurde das Leben der Menschen grundsätzlich anders geprägt; ebenso erhielt die Landschaft unter der Einwirkung eines jeden dieser Systeme eine andere Ausprägung. Aber nicht nur Entwicklungslinien der Aufeinanderfolge von Landnutzungssystemen, Veränderungen des menschlichen Lebens und damit verbundene Veränderungen von Landschaften sind zu beachten. Für die Menschen, die in bestimmten Epochen lebten, spielte vor allem eine Rolle, dass verschiedene Landnutzungssysteme und Prägungen von Landschaften zeitweise auch in einem räumlichen Nebeneinander bestanden.
    Abb. 10-1 Die Entwicklung von Landschaft wird einerseits durch die sich permanent wandelnde Natur geprägt, andererseits durch menschliche Einflüsse, die sich abrupt ändern können.
    Menschen konnten sich dazu entschließen, ihre Lebensweise und Landnutzung neu zu organisieren, wenn dadurch Vorteile für sie erkennbar wurden. Jäger wurden zu bestimmten Zeiten – aber nicht überall gleichzeitig auf der Welt – sesshaft und begannen aus Gründen, die ihnen Vorteile zu schaffen schienen, Ackerbau zu betreiben. Oder Lebensweisen, die zur Ausbildung einer neuen Form von Landnutzung führten, wurden zwangsweise eingeführt, beispielsweise von einem Staat durch Gründung einer Kolonie in einem Gebiet, das zuvor nicht unter staatlicher Herrschaft gestanden hatte. In beiden Fällen wurden kulturelle Techniken in Akkulturationsprozessen übernommen. Die neu in ein System integrierten Menschen versuchten, so rasch wie möglich gleiche Lebensbedingungen wie diejenigen zu erreichen, die bereits mit einem System der Landnutzung vertraut waren. Solche Prozesse haben bis heute Bedeutung, etwa in Entwicklungs- und Schwellenländern; aber sie spielten sich beispielsweise auch schon bei der Ausbreitung von staatlichen Infrastrukturen in der Antike ab.
    Abb. 10-2 Systeme von Landschaften in ihrer Abhängigkeit von Natur und kultureller Entwicklung.
    Anreiz für einen Wechsel der Lebensbedingungen war etwa die Hoffnung, eine gleichmäßigere und bessere Versorgung mit Nahrung und anderen Ressourcen, zum Beispiel Holz zu erreichen. Man strebte mehr Sicherheit und Wohlstand an oder stellte fest, dass Menschen, die ein anderes System der Landnutzung eingeführt hatten, eine höhere Lebenserwartung hatten und dass bei ihnen eine geringere Kindersterblichkeit auftrat. Nach jedem grundlegenden Wandel der menschlichen Lebensweise, die eine jeweils andere Ausprägung von Landschaft zur Folge hatte, kam es zu einem stärkeren Wachstum der Bevölkerung. Dies hat Edward Deevey in einer umstrittenen Grafik zum Bevölkerungswachstum verdeutlicht
(Abb. 10–3)
. [90] Sie eignet sich wohl nicht, um das Bevölkerungswachstum insgesamt zu verdeutlichen, weil sie mit einer logarithmischen Achse versehen ist. [91] Doch es lässt sich aus ihr ein anderes sehr interessantes Resultat entnehmen: Lebten Menschen ausschließlich von der Jagd und vom Sammeln von Pflanzenteilen oder Pilzen, waren die Grenzen des Wachsturnsfür ihre Population rasch erreicht. Der Übergang zur Landwirtschaft löste ein neues Wachstum der Bevölkerung aus. Auch auf diesem Niveau stieß das Wachstum irgendwann an Grenzen, die erst mit der Neuorganisation des Lebens in einem Staat und wieder veränderter Landnutzung überwunden werden konnten: Neues Wachstum war die Folge. Auch Landreformen und Industrialisierung sowie die Verbesserung der Infrastruktur führten zu einem neuerlichen Wachstum menschlicher Populationen.
    Abb. 10-3 Entwicklung der Weltbevölkerung unter den Bedingungen von Jagd, vorgeschichtlichem Ackerbau und sich ausweitenden Staaten

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