Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
die Abris, und vor allem Höhlen der Karstgebiete, Überreste von unterirdischen Wasserläufen, die an den Gebirgsrändern angeschnitten worden waren
(Abb. 11–1)
.
Doch die Umweltverhältnisse änderten sich im Lauf der Jahrtausende erheblich. In warmen Phasen breiteten sich Wälder aus, so dass das Nahrungsangebot für große, Pflanzen fressende Säugetiere, sogenannte Megaherbivoren, und anschließend auch für Menschen kleiner wurde. In Kaltzeiten dagegen waren die klimatischen Bedingungen sehr ungünstig für Menschen, die sich nur unzureichend gegen Kälte schützen konnten. Nur diejenigen überlebten, denen es gelang, immer wieder neue Strategien des Überlebens zu finden. Dabei mag ein Einzelner der «Erfinder» einer solchen Strategie gewesen sein; andere übernahmen die Innovation von ihm, so dass einige Gruppen von Menschen überlebten, andere nicht. Die Evolutionsbedingungen, die auf die menschlichen Populationen einwirkten, sind mit denjenigen kleiner Pflanzenpopulationen vergleichbar. Eine gerichtete Selektion, in deren Rahmen sich ungewöhnliche neue Geno- und Phänotypen durchsetzen konnten, hatte eine große Bedeutung.
Jäger und Sammler am Ende der letzten Eiszeit
Im Verlauf der letzten Kaltzeit, die in Europa als Weichsel- oder Würmeiszeit bezeichnet wird, hatten Gruppen von Jägern hoch spezialisierte Methoden der Jagd entwickelt, offensichtlich immer bessere Formen der Nutzung ihrer Umwelt, bessere Formen der Abstimmung in der Gruppe und immer bessere Jagdwerkzeuge. Als vor etwa 18.000 Jahren eine markante Klimaverbesserung einsetzte, die im Verlauf von acht Jahrtausenden zum Anstieg der Sommertemperaturen um etwa zehn Grad führte, schmolzen die Gletscher allmählich ab, die zuvor weite Teile Europas überzogen hatten. In ihren Vorfeldern und dort, wo sie ehemals das Land bedeckt hatten, entwickelten sich üppige Grasländer mit Kräutern und Zwergsträuchern. Die Lebensbedingungen waren ebenso wie am Ende vorangegangener Kaltphasen günstig für Tiere, die sich im Grasland gut ernähren können. Weil die Populationen großer Säugetiere umfangreicher wurden, gab es auch günstigere Ernährungsbedingungenfür Menschen; ihre Populationen wurden mutmaßlich größer. Bei der Jagd auf Herden bildende Tiere wurden oft mehr Tiere getötet, als man zur Ernährung brauchte. Deutlich wird dies beispielsweise am Felsen von Solutré in Burgund: Herden von Wildpferden und anderen Tieren wurden auf der allmählich ansteigenden Schichtstufe am Rand des Rhonegrabens aufwärts getrieben und stürzten dann über die Klippe am Steilhang ab
(Abb. 11–2):
Am Fuß der Klippe war es leicht möglich, die sterbenden oder bereits toten Tiere zu schlachten. Zur Jagd wurden in Solutré die natürlichen Bedingungen optimal genutzt: die Natur des Terrains und der Herdentrieb der Tiere, die sich nur in der Gruppe den Hang hinauftreiben ließen. Die mit der Jagd verbundene Ressourcenverschwendung muss enorm gewesen sein: Mutmaßlich wurden viel mehr Tiere getötet, als man zur Ernährung brauchte. Viele bei den Ausgrabungen in Solutré geborgene Knochenwiesen keine Spuren menschlicher Bearbeitung auf, sondern Nagespuren von Fleisch fressenden Tieren; sie ernährten sich wohl von den Fleischresten, die die Menschen zurückließen. [93]
Abb. 11-2 Steinzeitliche Jäger trieben Herden von Wildpferden und anderen Tieren auf den Felsen von Solutré in Burgund. Die Tiere stürzten über die Felskante und wurden auf diese Weise getötet.
Immer wieder begegnet man der Behauptung, große Weidetiere hätten unter normalen Umständen eine Wiederbewaldung verhindern können, die sich in den folgenden Jahrhunderten unter den Bedingungen einer Primarsukzession vollzog. Die sogenannten Megaherbivoren hätten nämlich jeden aufkommenden Jungtrieb einer Gehölzpflanze abbeißen können. Doch weil Menschen auf diese Tiere Jagd gemacht hätten, seien weniger Jungtriebe von Gehölzen abgebissen worden, so dass die Wiederbewaldung durch den Einfluss der Jagd indirekt gefördert worden sei. [94] Die Anhänger der mit dieser Ansicht verbundenen Megaherbivoren-Hypothese wollen damit begründen, warum nicht nur dichter Wald, sondern auch eine halboffene Weidelandschaft in weiten Teilen Europas als natürliches Ökosystem angesehen und deswegen geschützt werden müsse. Diese Ansicht ist umfassend widerlegt worden, unter anderem mit dem schlagenden Argument, dass sich nach früheren Eiszeiten, in denen die Jagd keine oder nur eine geringe
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