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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Regionalgeschichte beziehen mittlerweile Resultate der Archäologie ein, um darzustellen, dass Orte schon viel länger besiedelt sind, als es aus der alleinigen Betrachtung von schriftlichen Urkunden den Anschein hat. Aus prähistorischen Funden kann man zwar ableiten, dass bestimmte Gebiete bereits frühzeitig von Menschen aufgesucht oder besiedelt wurden. Doch zeigen diese Funde auch, dass es in prähistorischer Zeit zu keiner durchgehenden Besiedlung kam. Jeder archäologische Fund ist nicht mehr als ein Tableau der Landschaftsgeschichte, das keine lange Zeitdauer reflektiert, sondern eine Momentaufnahme darstellt. Archäologische Funde und Befunde, die an einem bestimmten Ort gemacht wurden, lassen sich einem oder wenigen aufeinanderfolgenden Zeithorizonten zuordnen. Das bedeutet, dass Menschen zu einer bestimmten Zeit an einem Ort anwesend waren oder dort eine Siedlung bestanden hat. Ein anderes wichtiges Indiz für die Landschaftsgeschichte zeigt sich an diesem Ort ebenfalls; es wird aber so gut wie nie beachtet. Siedlungen müssen auch wieder aufgegeben worden sein; dauerhaften Bestand hatte keine von ihnen, sonst könnten sie nicht einem ganz bestimmten Zeithorizont zugewiesen werden, beispielsweise einem Abschnitt der Eisenzeit. Mit einem einzigen Tableau eines einzelnen Fundes oder Befundes aus prähistorischer Zeit erschließt sich die komplette Siedlungsgeschichte einer Region nicht; ein archäologischer Befund zeigt nicht unbedingt, seit wann eine Siedlung besteht oder seit wann ein Gebiet besiedelt wurde. Es lässt sich damit nur die Aussage machen, dass zu einer bestimmten Zeit gesiedelt wurde, danach am gleichen Platz nicht mehr.
    In keinem Fall können wir davon ausgehen, dass alle Siedlungen, die in einem Raum einmal bestanden haben, mit archäologischen Methoden nachgewiesen werden können (vgl. Kapitel 3). Eine Datierung von mehreren Siedlungen in eine von den Prähistorikern definierte Epoche besagt nicht, dass sie alle tatsächlich zur gleichen Zeit bestanden haben: Vielleicht dauerte die Epoche mehrere Jahrhunderte, und jede Siedlung bestand nur wenige Jahrzehnte. Daher kann auf der Grundlage von archäologischenFunden nur sehr schwer entschieden werden, wie dicht ein Gebiet besiedelt war und ob ein Gebiet stärker bevölkert war als ein anderes. Karten, die dies darstellen sollen [83] und nicht von Archäologen kritisch kommentiert wurden, entbehren einer soliden Grundlage.
    Ein weiteres Problem zur Entstehung früher Siedlungen ergibt sich bei der falschen Interpretation eines pollenanalytischen Befundes, der auf Johannes Iversen zurückgeht. Der dänische Wissenschaftler beschrieb typische Wald- und Landschaftsveränderungen in Verbindung mit Siedlungsphasen, die er über Pollenfunde von Getreide in Ablagerungen von Seen und Mooren nachgewiesen hatte. Er nannte sie «Landnam»-Phasen. [84] Mit dem Begriff «Landnahme» wird allerdings der Beginn einer langfristigen Besiedlung assoziiert. Eine langfristige Besiedlung zeichnet sich aber in den Pollendiagrammen, mit denen Iversen seine Nachweise belegte, nicht ab, sondern die Siedlungen wurden nach einer kurzen Zeitdauer wieder aufgegeben. Iversen ging auch auf die Waldentwicklungsphasen nach der Aufgabe einer Siedlung ein; ihm war also klar, dass das, was er als «Landnahme» bezeichnete, nur eine kurze Zeitdauer betraf. Iversen leistete mit diesem Artikel Bahnbrechendes, aber es war nicht günstig, dabei von einer «Landnahme» zu sprechen. Denn darunter stellt man sich den Anfang einer dauerhaften Besiedlung, nicht aber den Beginn einer kurzen Siedelphase vor.
Übergreifende Studien
    Gute Korrelationen, aus denen sich der Wandel von Landschaften prinzipiell ableiten lässt, ergeben sich, wenn man sowohl das Tableau der heutigen Vielfalt als auch Zeitreihen beachtet, aus denen die Entwicklung von natürlichen Parametern und Besiedlung hervorgeht. Dies wurde in großen siedlungsarchäologischen Projekten deutlich gemacht, in denen außer Archäologen auch Geographen, Geologen, Biologen, Historiker und weitere Spezialisten arbeiteten; in ihnen ging es beispielsweise um die Entwicklung von Siedlungen und ihrer Umgebung in der Nähe von Archsumauf Sylt [85] und Flögeln [86] bei Bremerhaven. Weitere hervorragende Zusammenfassungen des Siedelgeschehens, die in einfachen Übersichten zusammengestellt wurden, stammen etwa von Steen Hvass [87] und Harm Tjalling Waterbolk. [88] Aus diesen Studien geht hervor, dass Siedlungen in Siedlungsräumen, die

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