Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Sukzessionsstadium, in dem mehr Birken wuchsen, wieder etablieren konnte. Kiefern und Birken kamen dauerhaft auch in manchen Feuchtgebieten vor, etwa am Rand von Mooren. Dort setzte sich vielerorts aber nicht die Hängebirke durch, die in Mitteleuropa häufigste Birkenart, sondern die Moorbirke.
Anstelle von Birken und Kiefern machten sich vor allem an zonalen Standorten andere Baumarten breit, unter anderem Eichen, Ulmen, Linden und Esche. Die Wälder wurden dichter. Dies hatte Auswirkungen auf die Klimaentwicklung. Denn an immer mehr Orten bildete sich ein Waldbinnenklima aus. Es wird davon geprägt, dass nur wenig Sonnenstrahlung in das Innere eines Waldes vordringt. Daher wird dort die Luft weniger stark erwärmt als im Offenland. Nachts strahlt aus einem Waldland weniger Wärmeab als vom offenen Land. Daher ist das Klima eines Waldgebietes ausgeglichener oder stärker ozeanisch geprägt als dasjenige von waldoffenen Gebieten, in denen es zu stärkeren Temperaturschwankungen kommt, vergleichbar einem stärker kontinental getönten Klima. In einem Wald wird Feuchtigkeit besser zurückgehalten als in einem Offenland. Ursachen dafür sind einerseits das ausgeglichene Lokalklima im Waldinneren, andererseits wird Wasser zwischen Baumwurzeln und Moosen festgehalten, die sich im Schatten der Bäume reichlich ausbreiten können. Die Speicherung von Feuchtigkeit in Waldgebieten führte dazu, dass gleichmäßigere Mengen an Wasser an die Fließgewässer abgegeben wurden. Die Hochwasserspitzen nach einem Niederschlag oder bei der Schneeschmelze fielen geringer aus.
Die fortschreitende Sukzession der Vegetation nach der letzten Eiszeit führte dazu, dass Wälder an Fläche gewannen. Unter dem Schirm der Bäume nahm die Zahl an Pflanzen ab, von denen sich große wildlebende Säugetiere ernährten. Ihre Herden verschwanden in den Waldgebieten. Die Tiere zogen dorthin, wo es noch weite Grasländer gab: weiter im Norden und im Inneren der Kontinente. In den Waldgebieten standen diese Tiere den Menschen nicht mehr als Jagdbeute zur Verfügung. Dies mag eine Ernährungskrise unter den Menschen ausgelöst haben.
Es gab drei Möglichkeiten für Menschen, diese Ernährungskrise zu überwinden: Die erste Möglichkeit bestand darin, dass die Jäger den Tierherden nach Norden oder ins Innere der Kontinente folgten, schließlich in die Gebiete von heutigen Tundren und Steppen. Eine zweite Möglichkeit des Überlebens ergriffen Menschen, die sich an den Ufern von Gewässern niederließen. Die Ufer von Meeren und Flüssen, vor allem aber Seeufer sind die einzigen Orte, an denen Menschen in einer von Wald dominierten Landschaft dauerhaft überleben können: Sie fangen Fische und andere Wassertiere sowie Vögel, die sich an Gewässern regelmäßig einfinden. Nach dem Ende der letzten Eiszeit kam noch eine dritte Strategie hinzu, mit der man die Ernährungskrise meistern konnte: Man begann, Pflanzen anzubauen und Tiere zu halten.
Der Wandel der Jagd (nicht mehr auf große Säugetiere in waldoffenen Gebieten, sondern auf kleinere Tiere am Ufer von Gewässern) führte zu einem Vorherrschen neuer Formen von Werkzeugen oder Jagdwaffen. Mit dem Aufkommen neuer Jagdwerkzeuge verbinden Archäologen den Kulturwandel von der Altsteinzeit (Paläolithikum) zur Mittleren Steinzeit (Mesolithikum). Der mit Innovationen verbundene Wandel von Kultur und Ressourcennutzung wurde durch eine grundlegende Veränderung der Umwelt oder der die Menschen umgebenden Landschaft ausgelöst: Im Offenland lebten Menschen der Altsteinzeit, im Wald Menschen der Mittleren Steinzeit. Mit dem Kulturwandel reagierten die Menschen auf die natürliche Sukzession von Offenland zum Wald am Ende der letzten Eiszeit.
Eine Reaktion auf diese Umweltveränderung dürfte auch der Beginn von Landwirtschaft gewesen sein. Nur so ist zu erklären, dass Menschen mit Ackerbau und Viehhaltung in mehreren, voneinander isolierten Regionen der Welt zu ungefähr gleicher Zeit begannen: im Südwesten und Südosten Asiens, in Mittel- und Südamerika. Eine Voraussetzung dafür, dass dies möglich wurde, war natürlich, dass es an Ort und Stelle Pflanzen und Tiere gab, mit denen man Landwirtschaft betreiben konnte.
Dies war in Europa nicht der Fall. Aber man vermutet, dass die Menschen dort ebenfalls Pflanzen ausbrachten, die sie für eine regelmäßige Ernährung gebrauchen konnten. In vielen Pollendiagrammen aus verschiedenen Teilen Europas zeigt sich, dass die Hasel vor etwa 9000 Jahren mehr
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