Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
im Norden war Nadelholz verfügbar, dazu Eisenerz in Schweden. Nur dann, wenn man alle diese Produkte durch Handel und Transport zusammenführte, war ein stabiles Leben an allen Küsten der Ostsee möglich. [131] Entsprechendes galt für die Küstengebiete der Nordsee, Norwegens, schließlich auch für die Inseln des Nordatlantiks, Island und Grönland. [132]
Kontakte mit Nomaden
Immer wieder kam es zu Konflikten zwischen ortsfest siedelnden Ackerbauern und Nomaden, die mit ihren Tieren aus Osteuropa und Zentralasien nach Mittel- und Westeuropa vordrangen. Nomaden und auch viele transhumante Viehhirten konnten nicht oder nicht vollständig in stabile Siedlungsstrukturen integriert werden, weil sie auch weiterhin mobil bleiben mussten. Ihre Art der Landnutzung und die dadurch hervorgerufene Landschaftsform veränderte sich über die Jahrhunderte kaum.
Krisensituationen
Die dauerhafte und zunehmend intensivere Nutzung von Land führte auch in den Ländern nördlich des Mittelmeergebietes zu ökologischen Krisen.
Die eingedeichten Marschen an der Nordseeküste wurden immer stärker durch hohe Fluten bedroht, je weiter das abtrocknende Land zusammensackte. Doch keine Sturmflut zerstörte den gesamten Küstenraum. In der Nordsee zirkuliert eine Gezeitenwelle, mit der sich die Zeiten von Hoch- und Niedrigwasser im Gegenuhrzeigersinn verschieben. Nur dann, wenn gerade zur Hochwasserzeit starker Wind direkt auf einen Küstenabschnitt wehte, konnte es dort zu exorbitant hohen Wasserständen kommen. Nur dann war in einer bestimmten Gegend der Deich bedroht. Aber nicht jeder Deich, auf den Hochwasser traf, brach auch. Viele Polder konnten nach einem Deichbruch erneut eingedeicht werden; wie gut und wie schnell dies möglich war, hing bereits im Mittelalter vom verfügbaren Kapital ab. In den reichen Niederlanden wurden Deiche eher repariert und Polder gehalten. In Nordfriesland ging im Verlauf von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fluten ein großer Teil der zuvor eingedeichten Marschen endgültig verloren. Trotz der ständigen Bedrohung durch das Meer und der dadurch ausgelösten Krisen blieb der Reichtum der Bauern in den Küstenmarschen bestehen. In den Niederlanden und auch in den Küstenregionen Deutschlands herrschte vielerorts Wohlstand, als es in weiten Teilen des übrigen Europas zu Krisen kam. Besonders eklatant wurden diese Gegensätze in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der Zeit des «Goldenen Zeitalters» in den Niederlanden und des Dreißigjährigen Krieges in anderen europäischen Ländern. Anschließend gingen von den Küstenländern Impulse zur Stabilisierung aus, als man begann, Folgen von Krisen zu überwinden.
In den küstenfernen Gebieten schritt die Entwaldung voran; Holzmangel drohte. [133] Die Bodenfruchtbarkeit nahm vielerorts ab, es mangelte an Dünger. Die Plaggengewinnung ließ unfruchtbareSandgebiete zurück. Ackerbau wurde aufgegeben, aber man konnte die Viehhaltung ausweiten
(Abb. 1–2)
. Die Bodenerosion durch Wind und Wasser wurde zum immer größeren Problem. [134] Hunger drohte vor allem nach Missernten und in Kriegszeiten; dabei spielte sicher auch eine Rolle, dass dann die Handelswege nicht oder nicht vollständig zur Verfügung standen, um Mangelwaren andernorts zu requirieren und herbeizuschaffen. Doch die Bevölkerung wuchs im Ganzen weiterhin an, auch wenn es immer wieder zu Seuchen kam, vor allem in den Städten, in denen die hygienischen Bedingungen zum Teil katastrophal waren, weil zwischen den Orten der Trinkwasserentnahme und der Abwassereinleitung kaum unterschieden wurde. Dies alles führte aber nicht – wie im Orient und vielerorts am Mittelmeer – zu einer Aufgabe von ganzen Siedlungszentren. In Mittel-, West- und Nordeuropa wurden Wege gefunden, die Krisen zu überwinden, und zwar durch den Aufbau eines neuen Systems der Lebensweise und der Landnutzung. Dies wird im anschließenden Kapitel vorgestellt.
Abschließende Gesamtbewertung des Systems
Das System aus sesshafter Lebensweise, dauerhafter Landnutzung und damit verbundener Neugestaltung der Landschaft breitete sich erheblich langsamer aus als zuvor das Landnutzungssystem mit nicht permanentem Ackerbau. Obwohl mit dem System eine Hebung des Lebensstandards verbunden war, wurde es nicht immer freiwillig übernommen. In vielen Gegenden gab es Widerstand gegen die Ausbreitung von permanenter Siedlung, Infrastruktur und Staat. Es kam sogar zu einem Rückschlag bei der Ausbreitung des Systems, indem sich
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