Die Entdeckung des Himmels
Deine Braut, hier anwesend, zu Deiner Hausfrau also an?«
Onno legte den Kopf in den Nacken und rief pathetisch:
»Ja!«
Fast alle im Saal begannen zu lachen. Auch der Standesbeamte hatte Mühe, seine Miene unter Kontrolle zu halten. »Nimmst Du, Braut! Deinen Bräutigam, hier anwesend, zu Deinem Mann also an?«
»Ja«, sagte Ada leise.
In ihrer Stimme lag etwas, das das Lachen verstummen ließ. Max entrang sich ein unerwarteter Schluchzer; er hatte Mühe, sich zu beherrschen, und wäre am liebsten aus dem Saal gegangen, aber das war unmöglich. Ada und Onno mußten einander die rechte Hand geben, und während sie so stehenblieben, fuhr die Stimme aus der revolutionären Vergangenheit fort:
»Bekennet Ihr nun also, in Gegenwart des allwissenden Gottes, und in Gegenwart Eurer hier versammelten Mithürger, einander zur Ehe angenommen zu haben und, in Ausübung der Euch gestellten Pflichten, miteinander zu leben und zusammen zu wohnen, bis daß der Tod Euch scheidet?«
»Ja.«
»Ja.«
»Gott! der die Liebe selbst ist, binde Euch an Eure Gelübde; bewahre Euch vor häuslichem Ungemach; kröne Eure Verbindung mit der besten Seiner Segnungen; und sei mit Euch allen in allen Umständen Eures Lebens!« Der Standesbeamte sah auf, nahm die Brille ab und sagte: »Und gedenket der Armen!«
»Phantastisch«, flüsterte einer von Onnos politischen Freunden. »Gedenkt der Dritten Welt.«
Max wurde überwältigt von Emotionen: war nicht er der Arme, dessen gedacht werden sollte? Aber es dachte keiner an ihn und durfte es auch nicht, außer vielleicht Ada. Er sah, wie Onno ihr den Trauring an den Finger steckte; als der Standesbeamte darauf wartete, daß Ada dasselbe bei ihm tat, sagte er mürrisch:
»Ein Mann trägt keine Ringe.«
Nachdem die Unterschriften geleistet und die Formalitäten erledigt waren, schüttelte ihnen der Standesbeamte die Hand, danach durfte das Brautpaar beglückwünscht werden. Max wartete, bis der erste Trubel vorbei war. Ohne etwas zu sagen, küßte er Ada dreimal auf die Wangen. Als er Onnos Hand drückte, wurde ihm klar, daß es das zweite Mal war: das erste Mal war in seinem Auto gewesen, an diesem ersten Abend, als sie an Leiden vorbeifuhren und sich einander vorstellten. Die Hand war weiß und warm und trocken. »Herzlichen Glückwunsch, Onno.«
»Danke, Max. Ganz meinerseits: Glückwunsch!«
»Danke. Wie fühlst du dich?«
»Fest entschlossen. Ich werde der engstirnigste aller Familienväter werden. Alles deine Schuld.«
Abends gab es ein Diner für die engsten Freunde, nach der Trauung jedoch wurde die ganze Gesellschaft in ein Café neben dem Rathaus eingeladen, wo Tische reserviert worden waren und der Champagner bereitstand. Auch dort mischten sich die Gruppen nicht. Die Musiker hockten zusammen, die Gelehrten blieben unter sich, die Politiker ignorierten die Tische und bestiegen die Barhocker, wo sie Bier bestellten, Ada setzte sich zu ihren Eltern, die sich von den Quists abgesetzt hatten. Als Onno Max sah, nahm er ihn mit in eine Ecke, in der sich seine Verwandtschaft eingenistet hatte.
»Jetzt mußt du dir endlich mal anschauen, welches Schicksal mir beschieden ist.« Am Tisch zeigte er wie ein Auktionator mit dem Zeigefinger auf ihn und sagte:
»Dies ist mein Freund Max Delius.«
»Ach, Sie sind das«, sagte eine Dame Ende Vierzig, die sich später als Onnos älteste Schwester entpuppte und mit dem Generalstaatsanwalt verheiratet war. Auch sie hatte etwas Großes und Furchterregendes, das irgendwie in der Familie zu liegen schien; es lag etwas Grobschlächtiges in ihrem Gesicht, etwas Männliches, das ihm angst machte.
»Ja, Trees, das ist er«, sagte Onno irritiert. »Fehlt nur noch, daß du dir ein Lorgnon vors Auge hältst.« Er gab Max nicht die Gelegenheit, Hände zu schütteln, denn nun zeigte er ihm seine Eltern, seine beiden Brüder, deren Frauen und seine jüngste Schwester und deren Mann. Er nannte sie »Dol«, und nur für sie hatte er ein freundliches Wort. Dann ließ er Max mit dem Quist-Clan allein.
Die gespannte Atmosphäre war sofort mit Händen zu greifen. Die laxe Amsterdamer Art und Weise, in der hier alles zuging, das Brautpaar auf dem Fahrrad, ein Empfang in einer Kneipe, überall Künstler, Freidenker und Rote, weit und breit kein Pfarrer zu sehen, die Provokation mit einem revolutionären Dokument aus der Zeit der Franzosen – und dann wurde ihnen auch noch der Sohn eines Kriegsverbrechers aus der Besatzungszeit zugemutet-, ihre
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