Die Entdeckung des Himmels
vorbei mit Findlingen aus Granit in den kleinen Vorgärten, fuhren durch ein Dorf, und nach einigen hundert Metern stießen sie an der Einmündung in einen Waldweg auf ein Schild, das jeglichen motorisierten Verkehr untersagte. Das sei wegen der Radiowellen, die die Zündkerzen aussandten, erklärte Max; das Teleskop sei so empfindlich, daß schon das kleinste Signal den Empfang störe.
»Und wie ist das mit deinen Zündkerzen?« fragte Ada. »Die sind isoliert.«
»Es wäre also möglich«, warf Onno ein, »daß du meinst, einen neuen Spiralnebel entdeckt zu haben, und dabei ist nur ein Moped auf das Grundstück gefahren?«
Max machte eine zweifelnde Geste mit der Hand. »Sicher«, sagte er, »das wäre schon möglich. Du hast doch wohl keinen elektrischen Rasierapparat dabei, hoffe ich?«
»Es ist also nicht ausgeschlossen«, beharrte Onno, »daß das, was ihr Radioastronome für das All haltet, nur die Verkehrssituation in der Umgebung widerspiegelt.«
Max mußte gegen seinen Willen lachen. »Weiß Gott.«
»Du sagst es! Die Erde ist eine Scheibe, und die Sterne sind kleine Löcher im Firmament, durch die das Licht des Empyreums scheint, des Hortes der Seligen. Und jeder, der etwas anderes behauptet, wie du zum Beispiel, befindet sich auf der schiefen Bahn.«
Plötzlich wurde über den Bäumen ein Teil des Spiegels sichtbar: ein riesenhaftes Gebilde von fünfundzwanzig Metern Durchmesser, eine Parabel aus grauem Stahl, die in der ländlichen Umgebung so fehl am Platze wirkte wie ein Fluch in einer Predigt. »Es ist gar kein Auge«, sagte Onno. »Es ist ein Ohr.«
Vor einem Ensemble aus Dienstgebäuden stellte Max den Motor ab, und augenblicklich saßen sie in einer intensiven Stille, die durch die Vögel im Wald nur noch größer wurde; von der anderen Seite her, wo das Gelände offener war, wehte der Duft von Heidekraut herüber. Ada stieg aus, atmete tief durch und sah sich um. »Wie herrlich es hier ist.«
»Ja«, sagte Onno, steckte sich eine Zigarette an und machte einen tiefen Lungenzug, »das ist die Herrlichkeit der Abstumpfung. Die Natur ist der Schlaf des Geistes, nur in der Stadt kommt der Geist zu sich.«
»Ich könnte mir gut vorstellen, hier zu wohnen. Meinetwegen auch mit etwas weniger Geist.«
»Schande! Die Natur ist für Kinder!«
»Eben.«
Ächzend war auch Onno aus dem Auto geklettert und gab ihr einen Kuß.
»Du bist ein Schatz, aber du machst einen schrecklichen Denkfehler. Unsere Tochter sollte zu ihrer eigenen Sicherheit ein richtiges Stadtkind werden. Das weiß man doch von den Kindern aus der Provinz: wenn sie vierzehn sind, fahren sie heimlich nach Amsterdam und geraten in alle Fallgruben gleichzeitig. Sie wissen, welche Pilze giftig sind und daß sie nicht barfuß durch hohes Gras gehen sollen, aber von den Fußangeln in der Stadt haben sie keine Ahnung. Wenn sie in der Stadt aufgewachsen sind, wissen sie ganz genau, wovor sie sich hüten müssen. Und glaub mir, in vierzehn Jahren wird es in Amsterdam noch um einiges gefährlicher sein als jetzt, denn alles wird immer nur noch schlimmer. Könntest du hier wohnen?« fragte er Max. »Auf dem Land ist doch wohl noch nie etwas ausgedacht worden. Du denkst dir doch auch in Leiden aus, was du hier untersuchen willst?«
Max hatte ihm verzweifelt zugehört. Das mit der »Tochter« war natürlich ein Spiel, aber wie ein richtiger Vater hatte er offenbar schon über die beste Umgebung für Adas Kind nachgedacht. »Hier wohnen? Eher würde ich die Astronomie aufgeben. Ich würde mich wie ein verbannter Verbrecher fühlen. Kein böses Wort über Drenthe, aber es ist tatsächlich das Sibirien der Niederlande.« Er sah zum Himmel. »Ich glaube, ich mache das Verdeck lieber zu.«
Mit Onnos Hilfe zog er es hoch, und nachdem alle Verschlüsse eingerastet und alle Druckknöpfe festgemacht worden waren, brachte er sie ins Gästehaus, in dem er den Verwalter ein Zimmer hatte reservieren lassen. Im gemeinschaftlichen Wohnraum, der mit Korbmöbeln und Sperrholzbänken ausgestattet war, stellte er sie einem jungen Kollegen aus Sydney vor, der für sein Alter zu dick war und am Eßtisch arbeitete. Auf englisch erzählte Max, sein Kollege kombiniere die australischen Daten über die Verteilung von neutralem Wasserstoff im Milchstraßensystem mit denen der nördlichen Halbkugel, um die Karte zu komplettieren.
»So wie hier«, sagte er und zeigte auf eines der Kartenblätter, auf dem ein Diagramm zu sehen war, das nach Onnos Meinung aussah
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