Die Entdeckung des Himmels
bezahlen würden?
Nichts da! Nicht einmal den Marmor würden sie mir bezahlen. Diese Leute sind dümmer, als die Polizei erlaubt.«
»Wer ist denn eigentlich der Teufel?«
»Lieber Himmel, Quinten! Wer ist denn eigentlich der Teufel? Das solltest du besser die Domina fragen. Der Teufel ist der Gegner von Gott!«
»Gibt es den dann auch nicht, oder gerade deswegen doch?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann weiß ich auch, wie man ein Bild vom Teufel machen muß.«
Kern legte seinen Meißel ab und sah Quinten an.
»Wie denn?«
»Dann muß man die ganze Welt mit Marmor füllen.«
Quinten sah, daß Kern verwirrt war.
»Woher nimmst du das alles eigentlich, Kuku?«
»Na ja, einfach so –« Quinten verstand nicht, was er meinte, aber er hatte das Gefühl, daß er jetzt lieber gehen sollte. Er warf noch einen Blick auf den Moses mit den Hörnern: Unter dem Arm hatte er irgendein großes Ding, eine Art Mappe, die zu Boden zu fallen drohte, was er aber offenbar gerade noch verhindern konnte. In Wirklichkeit war er vielleicht Gärtner oder so etwas gewesen.
»Tschüs«, sagte er.
Immer wenn er aus dem Atelier kam, stand da plötzlich wieder Groot Rechteren vor ihm. Vom Schloß aus gesehen, wirkten die Nebengebäude auf der anderen Seite des Schloßgrabens klein und unbedeutend; das Schloß dagegen machte von dort aus einen majestätischen, unnahbaren Eindruck. Er blieb wie immer einige Sekunden stehen, um es zu betrachten, und dachte an nichts – oder besser: was er dachte, war das, was er sah – das Schloß, als sein eigener Gedanke dort in sich versunken, und über dem Eingang die zeigerlose Uhr. Manchmal kam es ihm vor, als ob es plötzlich für einen flüchtigen Augenblick unsichtbar würde.
Auf der rechten Seite von Kerns Atelier befand sich ein kleines Gebäude, wo Herr Roskam, der Hausmeister von Groot und Klein Rechteren, seine Werkstatt hatte; die Tür war meistens abgeschlossen. Auf der Seite führte eine überdachte Holztreppe in den oberen Stock, wo alle paar Monate jemand anders wohnte: mal eine junge Frau, mal ein Mann mit einem schwarzen Ziegenbärtchen. Mit ihnen hatte er noch nie etwas zu tun gehabt, dafür aber um so mehr mit Piet Roskam, der auf der anderen Seite wohnte.
Auf beiden Seiten wurde der Kiesweg, der an dem großen Findling vorbei zu seiner Haustür führte, von den oberen Hälften zweier Karrenräder flankiert. Auf den ersten Blick schien es, als hätte jemand die Räder bis zur Achse eingegraben, aber Quinten wußte es besser: es war umgekehrt. Sie ragten nicht in, sondern aus der Erde, und es waren nicht die oberen Hälften, sondern die unteren. Unter dem Weg befand sich nämlich der Karren, die Karosse, die goldene Kutsche, wie er sie einmal im Fernsehen gesehen hatte, aber auf dem Kopf, von acht Pferden gezogen, der Kutscher mit den Zügeln saß auf dem Bock, nur hier eben kopfüber im Boden, und in der Kutsche saß nicht die Königin, sondern eine viel viel schönere Frau, die schönste Frau der ganzen Welt – und die Kutsche stand still, weil sie allesamt eingeschlafen waren Als Piet Keller ihn einmal fragte, warum er eigentlich nie auf dem Weg gehe, sondern immer neben den Rädern auf dem Rasen, hatte er geantwortet:
»Nur so.«
Keller war Mitte Fünfzig, ein magerer Mann mit gebeugtem Rücken und einer ungesunden Hautfarbe, und trug meistens eine kurze, beigefarbene Stoffj acke. Seine Frau machte manchmal plötzlich komische, zappelnde Bewegungen, weshalb Quinten ein wenig Angst vor ihr hatte; seine Tochter und die beiden Söhne, die alle drei einen Kopf größer waren als er, waren in einem Alter, in dem sie Quinten vermutlich kaum wahrnahmen. Keller hatte seine Werkstatt in einer angrenzenden Scheune, und auch ihm sah Quinten Stunde um Stunde auf die Finger. Er reparierte alte Schlösser, die ihm von überall her zugeschickt wurden, von Privatleuten, Antiquitätenläden und Museen. Überall standen Kisten mit Schlüsseln in allen Größen, Federn, Klammern, Lamellen, Nüssen, Fallen, Prellnocken und sonstigen Ersatzteilen, deren Bezeichnungen Keller Quinten beigebracht hatte. An großen eisernen Ringen hingen unzählige Dietriche.
»Ich habe alle Schlüssel die es gibt«, hatte er einmal mit einem Zwinkern gesagt, »bis auf die Notenschlüssel und den von Petrus.«
Auf einer Arbeitsplatte, die von einer wackeligen, mit Eisendraht an der Wand befestigten Lampe beleuchtet wurde, lagen die Schlösser, die er gerade reparierte, daneben stand ein Regal mit unzähligen
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