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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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militärische Geheimnisse informiert wird, damit der kalte Krieg dann eines Tages vielleicht vergeblich geführt worden ist.«
    Damit war auch die offene Rechnung des vergeblich geführten Achtzigjährigen Krieges beglichen. Die Politik, dachte Onno, ist ein Beruf, in dem alles auf Heller und Pfennig abgerechnet wird.
    »Es ist hoffnungslos, Onno«, seufzte Koos, ohne seine dünne Zigarre aus dem Mund zu nehmen. »Du bist erledigt.
    Du kannst übrigens beruhigt sein, schon zu meiner Zeit liefen manche Generäle mit sehr merkwürdigen Auffassungen durch die Gegend: Ich ging ihnen schon zu weit. Außerdem haben bestimmte monarchistische Gruppierungen aus dem ehemaligen Widerstand seit Anfang der siebziger Jahre Waffenlager angelegt für den Fall, daß die Neue Linke an die Macht kommt. Sie wissen, daß wir wissen, wer sie sind und wo sie dieses Zeug verbuddelt haben, und als Verteidigungsminister würdest du das auch erfahren.«
    »Das heißt«, bemerkte Dorus, »wir wissen, was wir wissen, aber wir wissen nicht, was wir nicht wissen.«
    »Es wird schon nicht so schlimm werden«, sagte Koos, »es sind überwiegend anständige Leute, auch wenn da auch wieder einige Generäle dabei sind. Du sollst nur wissen, mit welcher Stimmung wir es zu tun haben.«
    Mit einer Mischung aus Betäubung und Erleichterung sagte Onno:
    »Selbstverständlich ziehe ich zurück.«
    »Und wenn unsere gefiederten Freunde von der Presse nach Gründen fragen?« fragte Dorus. »Dein Name taucht schon seit einigen Wochen immer wieder in den Zeitungen auf.«
    »Weil ihr euch in eurer unergründlichen Weisheit zu einer anderen Aufgabenverteilung entschieden habt, wodurch ich leider aus dem Rennen fiel. Oder denkt euch eine Krankheit für mich aus. Sagt einfach, ich hätte einen leichten Schlaganfall erlitten.«
    »Unsinn«, sagte Piet. »Warum solltest du lügen, wenn du nicht lügen willst? Außerdem bringt dieser Bork die Angelegenheit vielleicht selber noch an die Öffentlichkeit. Wenn jemand fragt, sagst du einfach, wie es war, und in einigen Jahren wirst du Bürgermeister von Leiden.«
    »Die Strandräuberei auf Ameland«, sagte Dorus mit unbewegter Miene, »scheint nämlich schon vergeben zu sein.«
    »Dorus!« rief Piet vorwurfsvoll und zugleich mit einem Lachen.
    »Laß uns einfach wissen, was du haben möchtest«, murmelte Koos.
    »Und wer«, fragte Piet, »bekommt jetzt das Verteidigungsministerium?«
    »Für diesen außerordentlich verantwortungsvollen Posten habt ihr doch weiß Gott einen sweet prince an Bord, der uns allen lieb und teuer ist.«
    »Augenblick!« sagte Koos empört, während er einen Zeigefinger hob, dessen letztes Glied rechtwinklig verwachsen war.
    »Das bedeutet, daß wir dann –«
    »Zweifellos«, fiel ihm Dorus ins Wort. »Mit seinem kristallklaren Verstand hat Onkel Koos die Essenz meines spontanen Einfalls sofort begriffen.«
    Onno war aufgestanden und sagte, er fühle sich hier nun überflüssig. Sie vereinbarten, daß er den anderen gegenüber vorläufig nichts verlauten lassen werde; wenn Gottes Segen auf ihnen ruhe, hätten sie die Probleme vielleicht schon gelöst, ehe sie in Stavoren ankämen. Onno versprach, in Enkhuizen nicht auszureißen.
    Als er sich wieder auf das Achterdeck setzte, sah ihn jeder in der Runde schweigend an, aber keiner fragte etwas. Nur Dolf, der schlecht rasierte katholische Wirtschaftsminister, legte ihm im Vorbeigehen kurz die Hand auf die Schulter. Am liebsten, überlegte Onno, würde er jetzt auf einer Kanonenkugel vom Schiff an Land geschossen werden. Während in der Kajüte weiter verhandelt wurde, stellte er fast gelassen fest, daß er wieder einmal nicht wußte, was er werden wollte. Von einer Minute auf die andere war alles wieder anders. Er hatte nicht die geringste Lust, im Parlament zu bleiben, und ein Bürgermeisteramt kam genausowenig in Frage wie das Amt des Direktors der Stiftung für wissenschaftliche Forschung oder ein Posten in Brüssel; daß er sich nun endgültig aus der Politik zurückziehen würde, stand fest. Es hatte mit Bork angefangen, und es endete mit Bork. Das Leben war für immer und ewig mit dem seinen verbunden, und das machte ihn rasend.
    Er sah Borks lauernde Augen vor sich und hatte das Gefühl, als sei ein widerliches Insekt über ihn gekrochen; mit beiden Händen rieb er sich über das Gesicht, um es zu verscheuchen. Dann dachte er an Max, der letztendlich alle Wendungen in seinem Leben auf dem Gewissen hatte, aber er trug ihm nichts nach. Der

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